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Die Gründung des italischen Nationalstaats
Wann und wie Rom erbaut ist, wissen wir nicht. Das von Varro
auf gestellte, von Attikus und Cicero angenommene Gründungsjahr 753
(Drumann GR V2 88) ist ohne Gewähr. Als Tag galt der 21. April
(Ovid. Fasti IV 721. CIL I2 S. 315. Kubitschek, „Ära“ bei Pauly*
Wissowa RE I 622).
Die verschiedenen Gründungssagen der verschiedenen Zeiten dienen
der Absicht, die Ursprünge Roms mit Griechenland und seiner Dichtung
in Verbindung zu bringen. Der Siebenhügelstadt entsprechen sieben
Könige, deren sog. Geschichte, eine Dichtung in historischem Gewände,
unter griechischem Einfluß entstanden ist, um den Ursprung der römischen
Gemeinde und der römischen Einrichtungen zu erklären. Die Geschichte
ihres Sturzes erinnert stark an die Vertreibung griechischer Tyrannen.
Die Lage Roms. Es war gewiß von großer Bedeutung, daß Höhen
wie der Palatin und das Kapitol, die, getrennt und rings von Senkungen
umgeben, für die ältesten Befestigungsanlagen vorzüglich geeignet waren,
gerade am Strome lagen, der die natürliche Grenzwehr Latiums gegen
die nördlichen Nachbarn war, und zwar gerade an der Stelle, wo die einzige
Insel im Unterlauf des Stromes das Überschreiten dieser Schutzwehr
erleichterte. Der Besitz dieser Stellung muß für die ganze Ebene von
Anfang an eine Lebensfrage gewesen sein, und die Sage läßt es noch deut¬
lich erkennen, wie viel umstritten dieser inmitten dreier Völkergebiete
an der Landesmark gelegene Punkt seit uralten Zeiten gewesen ist. Diese
Lage aber hatte noch eine weitere Bedeutung. Sie hat ohne Zweifel mächtig
dazu mitgewirkt, daß die ursprünglich getrennten Niederlassungen auf
den Tiber höhen sich politisch und wirtschaftlich zusammenschlossen,
d. h. daß aus dem lockeren Gefüge selbständiger Ortschaften die Stadt
Rom entstand (Pöhlmann, Die Anfänge Roms, 1881, S. 24; vgl. auch
Mommsen RG I8 47).
Die Siebenhügelstadt entstand durch Zusammenziehung und umfaßte:
Palatium, Cermalus, Velia, Oppius, Cispius, Fagutal, Sucusa (oder Subura)^
Die sieben Stadtteile feierten das Fest des Septimontium. Der Vierregionen¬
stadt diente das außerhalb des Pomerium liegende Kapitol als Burghügel,
der die Tempel der gemeinsamen Götter trug. Die vier Stadtbezirke
waren: Palatina, Esquilina, Sucusana (Suburana), Collina. Vgl. Kiepert,
Forma orbis antiqui, Blatt 21. Die sog. Servianische Mauer, deren Lauf
nur an einer einzigen Stelle nicht genau feststeht (Jordan Ii §3 S. 205),
umschloß die Stadt der Samniterkriege. Niese GdRG § 5 hält die vier
Stufen in der Entwicklungsgeschichte der Stadt für fraglich.
Die etruskische Fremdherrschaft. Es ist nicht zu bezweifeln, daß Rom
und auch Latium einmal von den Etruskern beherrscht worden ist, etwa
um das J. 500, als auch Kampanien etruskisch war; aber diese Fremd¬
herrschaft (Cic. Sull. 22: peregrini reges Romae fuerunt) war nur vorüber¬
gehend; Rom ist nie eine etruskische Stadt geworden, sondern stets
latinisch geblieben. Einzelne Etrusker wie Cälius Vibenna haben sich in
Rom angesiedelt. Ob aber dessen Begleiter Mastarna mit Servius Tullius
gleichzusetzen und ob das Grab der Tarena in Cäre das der Tarquinier
ist, läßt sich nicht beweisen (Niese S. 22). Ebensowenig läßt sich be¬
weisen, daß Rom aus drei einst selbständigen Gemeinden zusammen¬
gewachsen ist.