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Namen des „deutschen Fürstenbundes" und mit dem Zwecke der Auf¬
rechterhaltung des Besitzstandes der einzelnen Reichsglieder.
Joseph, ein Bewunderer und Nachahmer Friedrichs d. Gr., hatte zur Zeit der
polnischen Wirren ein gutes Einvernehmen mit Preußen gesucht, das nach dem siebeu-
jährigen Krieg mit Rußland verbündet war. Eine Annäherung zwischen Österreich
und Preußen wurde angebahnt durch die zweimalige Zusammenkunft Josephs und
Friedrichs (1769 und 70); bald aber trat der frühere Gegensatz zwischen den zwei
deutschen Großmächten wieder hervor. Die Absichten Österreichs ans Bayern schienen
den Kampf der schlesischen Kriege erneuern zu wollen: „Die politischen Rollen wurdeu
in seltsamer Weise vertauscht. Friedrich II., sein Leben lang ein Verächter verdeutschen
Reichsverfassung, tritt jetzt aus einmal als ihr Schützer auf. Österreich, das sich viel
zugute that auf die Erhaltung der alten Formen, verfolgt eine revolutionäre Politik,
die sich auf reinen anderen Titel mit Grund uud Wahrheit stützen formte als auf das
Recht des Stärkeren." Häuffer, Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr.
bis zur Gründung des Deutscheu Buudes.
Bald uach der Gründung des Fürstenbundes, welcher als eine Weiterbildung
der deutscheu „Verfassung" vou 16481 zu betrachten ist, nicht als ein Versuch preußi¬
scher Hegemonie, starb Friedrich d. Gr. am 17. August 1786, am Ende seines Lebens
fast vereinsamt. (Sein Testament vom Jahre 1769 beginnt: Notre vie est un
passage rapide du moment de notre naissance a celui de notre mort. Pendant ce court
espace, l’homme est destine ä travailler pour le bien de la societe dont il fait corps.
Depuis que je parvins an maniement des affaires, je me suis applique avec toutes les
forces que la nature m’avait donnees, et selon mes faibles lumieres, ä rendre heureux
et florissant cet Etat, que j’ai eu l’honneur de gouverner. J’ai fait regner les lois et
la justice, j’ai mis de l’ordre et de la nettete dans les finances, et j’ai entretenu l’armee
dans cette discipline qui l’a rendue superieure aux autres troupes de l’Europe.“)
Friedrichs Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. (1786—97) besaß
weder die Sparsamkeit noch den hohen Geist nnd die Thatkraft seines Oheims. Er
behielt für die auswärtigen Angelegenheiten zunächst die Minister desselben (Hertzberg
und Finckenstein) als Ratgeber bei;' im Innern betonte er mehr Kirchlichfeit nnd
Schulbildung.
5. Maria Theresias Ansgang und Josephs II. Selbst-
regierung in Österreich von 1780—90. ✓
a) Maria Theresia hatte ihrem Gemahl Franz I. uud nach dessen
Tod (1765) ihrem Sohne Joseph II. (als Kaiser 1765—90) nur eine be¬
schränkte Teilnahme an den Regierungsgeschäften eingeräumt. Gestützt auf
das unbedingte Vertrauen ihres Volkes und beraten vom Minister Kaunitz
hob sie die inneren Zustände Österreichs; die Tortur wurde abgeschafft, die
Leibeigenschaft gemildert, der Handel begünstigt.
1 Der durch den westfälischen Frieden geschaffene Staatenbund, der mehrere Hunderte
von souveränen Fürsten und Städten verband, wurde von namhaften Staatsmännern und
Schriftstellern jener Zeit als die „deutsche Freiheit" (Libertät) bezeichnet.