Full text: Neuere Zeit (Teil 3)

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will ich doch hineingehen." Unter gewaltigem Andrang des Volkes kam 
er am 16. April 1521 in Worms an. Am folgenden Tage mußte man 
ihn durch Gärten und Hinterhäuser führen, um ihn durch das Gedränge 
in die Reichsversammlung zu bringen. Vor der offenen Saalthür klopfte 
ihm der Berühmte Feldhauptmann, Georg von Frundsberg, mit den 
Worten auf die Schulter: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst jct>t einen 
Gang, dergleichen ich und mancher Oberster auch in unserer allerernstesten 
Schlachtordnung nicht gethan haben. Bist du aber auf rechter Meinung 
und deiner Sache gewiß, so fahre in Gottes Namen fort und fet nur ge¬ 
trost, Gott wird dich nicht verlassen." _ . 
An feinem Mönchsgewande, bleich unb von einer Krankheit ab¬ 
gemattet, trat Luther vor die glänzende Reichsversammlung. Sein 
Eindruck war anfangs nicht günstig, und Kaiser Karl soll gesagt haben. 
„Der wird mich nicht zum Ketzer machen." Er erkannte Zwar die 
ihm vorgelegten Bücher als die seinigen an, bat sich aber im Betreff 
der zweiten Frage, ob er widerrufen wolle, Bedenkzeit aus. deicht 
ohne Verweis beschied man ihn auf den folgenden Tag. An diesem 
(18. April) erschien er ohne alle Befangenheit. Als man endlich eine 
runde und bündige Antwort von ihm verlangte, ob er widerrufen 
wolle oder nicht, sprach er: „Wohl, weil denn eine schlichte, einfältige 
Antwort von mir verlangt wird, so will ich euch eine geben, die 
weder Hörner noch Zähne haben soll, nämlich also: es sei denn, daß 
ich mit Zeugnissen der heiligen Schrift oder mit klaren Gründen über¬ 
wunden werde (denn ich glaube weder dem Papste noch den Konzilien 
allein, weil es offenbar ist, daß sie oft geirrt und sich selbst wider¬ 
sprochen haben), so kann und will ich nicht widerrufen, weil weder 
sicher noch geraten ist, etwas wider das Gewissen zu thun. Hier 
stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen." 
Luther hatte aus viele den günstigsten Eindruck gemacht. Kurfürst 
Friedrich sagte: „O wie schön hat Pater Martin geredet vor Kaiser und 
Reich, er war mutig genug, vielleicht zu mutig!" Der junge, feurige Land- 
gras Philipp von Hessen besuchte ihn, unb der katholische Herzog Erich 
von Braunschweig schickte ihm einen Krug Einbecker Bier. Der Kaiser 
hielt ihm bas Geleit unb antwortete benen, bie ihn bestimmen wollten, 
betn Ketzer das Wort zn brechen: „Ich will nicht mit Kaiser Sigismund 
erröten." Man machte noch einen Versuch, Luther zum Widerruf zu be¬ 
wegen; er aber antwortete mit ben Worten Gcnnaliels (Apoftelgefch. V, 
38 unb 39): „Ist das Werk ans den Menschen, so wird cs untergehen, 
ist es aber aus Gott, so könnt ihr es nicht dämpfen." 
Der Reichstag schloß mit dem Wormser Edikt, wonach jede 
Verbreitung der neuen Lehre verboten, Luther als Ketzer in die Acht 
erklärt, und jeder, der ihn beherberge, mit gleicher Strafe bedroht 
ward. Unterdessen war Luther bereits in Sicherheit auf der Wart¬ 
burg bei Eisenach. Hier begann er seine Bibelübersetzung (vollendet
	        
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