Full text: Das Mittelalter, die neuere und die neueste Zeit (Teil 2)

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Die Macht der großen Barone und der geistlichen Fürsten wurde in 
England noch mächtig verstärkt, als die Plantagenets (1154—1485) auf 
den Thron kamen. Daß durch Heinrichs II. von Anjou-Plantagenet Ver¬ 
heiratung mit Eleonore von Guienne die Besitzungen der englischen Herrscher 
in Frankreich bedeutend erweitert wurden, ist schon erwähnt (s. S. 84)x). 
Durch ihn wurde auch die Bretagne für England erworben, und auf Antrieb 
des Papstes begann Heinrich die Unterwerfung Irlands, welche äußerlich 
erst nach einem halben Jahrtausend durch Cromwell vollständig wurde, 
während der innere Gegensatz zwischen dieser Insel und dem übrigen Gro߬ 
britannien in lebendiger Stärke noch heute besteht. 
Besonders wichtig war der Kamps mit der geistlichen Gewalt, welcher 
unter Heinrich II. ausbrach. Der König wollte die geistliche Gerichts¬ 
barkeit beseitigen, die Immunität (Befreiung von allen Leistungen an den 
Staat) der Geistlichkeit nicht gelten lassen und die Kirche von der könig¬ 
lichen Gewalt abhängig machen. An der Spitze der englischen Geistlichkeit 
stand als Erzbischos von Canterbury damals Thomas Becktt. Dieser wider¬ 
setzte sich im Einverständnis mit Alexander III., und der König mußte nach¬ 
geben. Es folgte nun Beckets Ermordung, zu welcher Heinrich den Anlaß 
gegeben hatte. So gewann die Kirche einen Märtyrer, und da der Papst 
mit dem Interdikt drohte, so mußte Heinrich sich an dem Grabe des Ermor¬ 
deten demütigen. Im Zusammenhange mit diesen Streitigkeiten stehn die 
Empörungen der Söhne gegen den Vater. Heinrichs Nachfolger, Richard 
Löwenherz (1189—99), war der glänzendste Vertreter des kirchlich-ritter¬ 
lichen Geistes, aber zum Schaden des Landes. Denn seine Teilnahme am 
dritten Kreuzzuge (s. S. 77) führte seine Gefangenschaft in Deutschland 
herbei, und während der langen Abwesenheit des Königs wuchs die Macht 
der Barone. Das königliche Ansehen wurde unter seinem Bruder Johann 
ohne Land noch mehr gemindert (1199—1216). Johann kam sogleich nach 
seiner Thronbesteigung mit Jnnocenz III. wegen der Besetzung des Erzbis¬ 
tums Eanterburp in Streit, und das Land wurde mit dem Interdikt belegt. 
Doch fügte Johann sich schnell, als Philipp August ihm einen großen Teil 
der Besitzungen in Frankreich entriß (s. S. 84), und als ein allgemeiner 
Aufstand in England auszubrechen drohte. Da nahm Johann 1213 das 
Land vom Papste zu Lehen und verpflichtete sich zur jährlichen Zahlung eines 
Zinses von 1000 Ms. Silber; so hoffte er die Geistlichkeit sür sich zu ge¬ 
winnen. Dennoch stiftete der Primas des Reiches die Großen zur Empörung 
gegen den König an, und als dieser in der Schlacht von Bouvines ge- 
j) Rosamunde von Th. Körner.
	        
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