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8* Luther auf der Wartburg. Der Kaiser hatte
versprochen, Luther sicher nach Worms und wieder zurück nach
Wittenberg zu besorgen. Nachher hat er sein Wort doch ge¬
brochen. Luther wurde aber dennoch kein Haar gekrümmt. Luthers
guter Freund, sein Kurfürst Friedrich von Sachsen, ließ ihn
mitten im Thüringer Walde von seinen Rittern fangen und brachte
ihn nach seinem Bergschloß Wartburg. Hier auf der Wartburg
mußte Luther leben als Junker. Ritterkleidung, Schwert und
langen Bart trug er. Müßig sein für Gottes Sache war aber
Luthers Art nicht. Die Liebe zu seinem Volke ließ ihn auch
nicht ruhen in dem angefangenen Werke. Was that er? Er
übersetzte die Bibel in solch Deutsch, daß auch die Kinder schon
Gottes Wort lesen und verstehen konnten. Auf der Wartburg
mußte Luther dieses allein thun, nachher haben ihm seine Freunde
geholfen, Melanchthon und andere. Seit der Zeit haben wir
unsere deutsche Bibel. Die Bibel in deutscher Sprache nud sonst
viele andere Schriften, z. B. Luthers Katechismus, haben in Gottes
Hand die Werkzeuge sein müssen, welche die evangelische Kirche
ins Leben gerufen haben.
Luther hat auch viele Kirchenlieder gemacht, z. B. „Ein'
feste Burg ist unser Gott", „Vom Himmel hoch, da komm' ich
her“, „Erhalt' uns, Herr, bei deinem Wort". Die Handwerks¬
burschen sangen diese auf den Landstraßen, die Gesellen in der
Werkstätte, die Eltern und Kinder in der Familienstube. Und
weil die Buchdruckerkunst kurz vorher erfunden war, so konnten
kleine und große Bücher schnell gedruckt und leicht gekauft werden.
Die evangelische Lehre breitete sich bald in fast ganz Deutschland
und mehreren anderen Ländern aus.
9* Aus Luthers häuslichem Leben. Luther war
so freigebig wie selten ein Reicher. Obgleich er nur ein geringes
Einkommen hatte, ließ er doch keinen Notleidenden ohne Unter¬
stützung aus seinem Hause gehen. Einmal kam ein armer Student
zu ihm, der mit Studieren fertig war und nach Hause reisen
wollte. Dieser bat ihn um etwas Reisegeld. Doch Luther hatte
keinen Pfennig Geld im Hause. Da weinte der Student, weil
er nun keinen mehr wußte, an den er sich wenden konnte. Das
that Luther leid, und er besann sich, ob er ihm denn gar nichts
geben könne. Da fiel ihm ein silberner Becher ein, den er vor
kurzem von seinem Kurfürsten zum Geschenk bekommen hatte, und
er gab das Kleinod dem Studenten. Und als Luthers Ehefrau
ihm Vorwürfe machen wollte, sprach er: „Ich brauche keinen
silbernen Becher. Trag' ihn flngs zum Goldschmied und verkaufe ihn!"