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bestehen. „Ein kirchlich gestaltetes Heidentum ober ein solches Kirchentum,
das in Unwahrheit alles Heidentum überbot, hat wirklich, ehe in Deutschland
der reformatorifche Kampf anhob, in Italien und vorzugsweise iit Rom sich
ausgebildet. Seinen Hauptsitz nahm es am päpstlichen Stuhle ein unter
Leo X."x).
In ganz anderem Geiste wurden Die neuen StuDien in Den NieDer-
lanDen unD in Deutschland betrieben. Hier führte Der Humanismus zu
fefter wissenschaftlicher Schulung, znr Vertiefung der wissenschaftlichen
Forschung und zu neuer Auffassung der sittlichen Aufgaben des Menschen.
Die Universitäten in Deutschland, besonders Erfurt, welches damals feilte
höchste Blüte hatte, und die am Anfange des sechzehnten Jahrhunderts ge¬
gründete Hochschule zu Wittenberg waren weithin wirkende Pflegestätten
des neuen Geistes. Johann Reuchlin kämpfte siegreich für das Studium
der hebräischen Sprache gegen die Dominikaner und Dunkelmänner (Ob¬
skuranten, Jakob von Hoogstraten in Köln). Mit feiner Satire und großer
Gelehrsamkeit schrieb Erasmus von Rotterdam gegen die kirchlichen Zu¬
stände. Die epistolae obscuroruni viroruin trugen den Streit in
weite Kreise hinein. Ulrich von Hutten wurde der kühnste und kräftigste
Kämpfer für die neue Bildung und dann ein unerschütterlicher Anhänger
der Kirchenreformation. In Zeiten der Bedrängnis stand sein FreuuD Franz
von Sickingen ihm schützend zur Seite; er hat den Freunden der Refor¬
mation oftmals eine Zufluchtsstätte in feiner Ebernburg bei Kreuznach ge¬
boten. Die in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts sich immer
mehr vervollkommnende Bnchdruckerkunsl (Gutteuberg, Fuft und Schöffer)
ermöglichte schnelle und weite Verbreitung der Schriften.
Um dieselbe Zeit begründete Der Thorner Nikolaus Kopernikns.
später Domherr zu Frauenburg, durch fein neues System Die Umgestaltung
Der Weltanschauung.
Maximilian I. 1493—1519,
Die Habsburgische Hausmacht. Ohnmacht des Reiches nach außen.
Politische Reformbestrebungen.
Unter Maximilian i. erlangte die Habsburgische Hausmacht den ge¬
waltigen Umfang, welcher diesem Haufe lange Zeit das Übergewicht in
Europa verschaffte. Dieser Machtzuwachs kam hauptsächlich durch glückliche
Heiraten (f. die Stammtafel (Seite 137). Durch die Ehe Maximilians mit
Karls des Kühnen Tochter Maria wurden die Niederlande und die Fret-
graffchaft Burgund (Franche Comte) gewonnen. Dann heiratete der Sproß
x) Martin Luther von Julius Köstlin.