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Die Geschichte der Griechen.
Griechen das Lager verbrannten und zum Scheine absegelten. Bald kamen
die Trojaner aus der Stadt und sahen nun das Wundertier. Während
sie sich über seine Bedeutung stritten, trat der Priester Laokvon unter sie
und warnte die freudig erregte Menge vor den listigen Griechen; denn
ein wohlüberlegter Anschlag schien ihm hier vorzuliegen. Während er noch
sprach, brachten einige Trojaner einen gefangenen Griechen herbei, den sie
im Schilfe entdeckt hatten. Man fragte ihn nach der Bedeutung des
Pferdes. Der Schlaue ließ sich nötigen, eine Erklärung abzugeben. Endlich
berichtete er, das Pferd sei ein Geschenk für die Götter, von den Griechen
dargebracht, damit ihnen eine glückliche Heimreise beschert werde. „Wenn
ihr", so fuhr er fort, „das Pferd in eure Stadt bringt, so wird sie
uneinnehmbar sein. Um das zu verhindern, bauten die Griechen das Tier
absichtlich so groß." Noch zweifelten einige Trojaner, ob es wahr sei, was
der Gefangene aussagte; da krochen zwei gewaltige Schlangen aus dem
Meere, ringelten sich um Laokoon und seine beiden Knaben und erdrückten
die Unglücklichen1. Nun waren alle überzeugt, daß der Priester im Un¬
recht gewesen. Auch bie Warnungsrufe der Seherin Kassandra wurden
überhört. Jung und alt spannte sich vor das Roß und zog es unter
dem Jubel der übrigen Menge nach der Stadt. Ein Teil der Mauer
wurde niedergerissen, damit das Ungetüm hindurchginge. Freude herrschte
in Trojas Hallen. Aber auf den fröhlichen Tag folgte eine schreckliche
Nacht. Um die Mitternachtsstunde entstiegen die bewaffneten Griechen¬
fürsten ihrem Versteck, eilten an die Stadtmauer, stießen die wenigen Wacht-
mannschasten nieder und öffneten ihren Landsleuten, die inzwischen zurück¬
gekehrt waren, die Tore. Ein furchtbares Morden begann, und bald
loderten allenthalben die Flammen empor, welche Troja in einen Schutt¬
haufen verwandelten. Der größte Teil der Bevölkerung fand den Tod
oder wurde in die Knechtschaft abgeführt; nur wenige entkamen und suchten
sich eine neue Heimat.
So war der Tag gekommen, an dem, wie Homer sagt, „die heilige
Jlios hinsank, Priamus selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs".
e) Die Heimfahrt des Odysseus.
Ähnlich wie der trojanische Krieg selbst sind auch die späteren Schicksale der
überlebenden griechischen Helden von der Sage dichterisch ausgeschmückt worden.
Von den Erlebnissen des Odysseus erzählt die Homerische Odyssee. Nach den
langen Jahren der Trennung gedachte der Held mit Sehnsucht seines treuen
1 Eine ergreifende Darstellung dieses Vorganges ist die berühmte Laokoon-
gruppe im Vatikan. Sie ist das Werk rhodischer Künstler und wurde im Jahre 1506
zu Rom ausgegraben.