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Bestände. Napoleon verschenkte nun Länder und Kronen an seine
Brüder und Verwandten, und Niemand konnte ihm wehren.
4. Preußens Demüthigung. Der friedliebende König von
Preußen hatte sich dem Bunde gegen Napoleon nicht angeschlossen, ob¬
wohl ihn die besten Männer an seineyl Hofe dazu drängten. Er wollte
seinem Laude die Leiden des Krieges ersparen. Nach dem Siege von
Austerlitz warf Napoleon die freundliche Maske gegen Preußen ab und
verletzte es in beleidigender Weise. Da erklärte ihm Friedrich Wil¬
helm III. mit schwerem Herzen, aber unter dem Jubel des Volkes den
Krieg. Bei Jena und Auerstädt den 14. Oktober 1806 trafen
die Heere auf einander, nachdem am 10. Oktober der Prinz Lonis
Ferdinand bei ^aalfeld mit der preußischen Vorhut geschlagen worden
und den Heldentod gestorben war. Die preußischen Soldaten hatten sich
bisher in dem Ruhme des großen Friedrich gesonnt und übermüthig
auf die Franzosen herab gesehen. Sie waren von alten Generalen an¬
geführt und mit der neuen Kanipfmeife nicht vertrant. Gleich im An¬
sange wurde der Oberbefehlshaber, der Herzog vou Brauufchweig,
todtüch verwundet und Verwirrung in das Heer gebracht. Ohne Plan
und Zusammenwirken schlugen sich einzelne Hansen tapfer, endlich aber
suchte alles in wilder Flucht Rettung. Nach 14 Tagen war Napoleon
m Berlm und die Königsfamilie auf der Flucht nach Memel. Wie
Kartenhäuser fielen die Festungen, wie Schasheerden ergaben sich die
Soldatenhaufen. Nur einzelne Führer retteten .Me preußische Waffen¬
ehre, so der alte Blücher. Kolberg wurde von Gneisenau, Schill
und dem braven Bürger Nettelb eck auss Tapferste vertheidigt. Der
alte Courbiere (fpr. Knrbiähr) in Grandenz ließ den Franzosen auf die
höhnische Botschaft, „es gäbe keinen König von Preußen mehr", sagen:
„Nun, so werde ich versuchen, wie lange ich König von Graudenz sein
kann l" Noch 2 blutige Schlachten wagten die Preußen und Russen bei
Ep lau und Friedland in Preußen, aber ohne Erfolg. Der Sieger
diktirte in Tilsit 1807 einen harten Frieden. Preußen verlor alles
Land westlich von der Elbe; dasselbe wnrde zum Königreich Westfalen
mit der Hauptstadt Kassel unter Napoleons Bruder Jerome geschlagen.
Es musste 30 Millionen Thaler Kriegskosten bezahlen, bis zur Bezah¬
lung den Franzosen die Festungen überlassen, den Engländern alle
Häsen verschließen und durfte nur 42,000 Soldaten halten. Als
Napoleon die Königin hochmüthig fragte: „Wie konnte Preußen wagen,
mich anzugreifen?" antwortete die edle Luise: „Sire, dem Ruhme
Friedrichs des Großen war es erlaubt, uns über unsere Kräfte zu
täuschen, wenn wir uns anders getäuscht haben."
5. Preuszens Wiedergeburt. An die Spitze der Verwaltung
trat der edle Freiherr von Stein. Er beschaffte die Kriegskosten und
befreite dadurch das Land von den fremden Blutsaugern. Den Städtern
gab er durch die Städteordnung die Selbstverwaltung; die Erbnnter-