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§ 163. Allgemeine Übersicht.
5. Flavius Avianus verfafste um 400 eine Sammlung von 42
äsopischen Fabeln Dach dem Vorgänge des Phädrus in elegischem
Mafse. Im Mittelalter wurden Avians Fabeln viel gelesen, erklärt
und vermehrt.
II. Die Prosalitteratur.
§ 163. Allgemeine Übersicht.
Die Prosasprache als Trägerin der Litteratur ist selbstver¬
ständlich viel jünger als die Sprache des Verkehrs, der Mitteilung
im täglichen Leben. Bis herab ins sechste Jahrhundert der Stadt
diente sie nur zur Aufzeichnung von Begebenheiten, Gesetzen, got¬
tesdienstlichen Formeln, Verträgen, der Jahresfolge der Magistrate
u. dgl. Die älteren Geschichtschreiber (Annalisten) schrieben sogar
griechisch. Der eigentliche Gründer der schriftmäfsigen Prosa ist
der ältere Kato (234—149). Um diese Zeit, überhaupt seit dem
ersten punischen Kriege machte die Prosasprache einen bedeuten¬
den Fortschritt; ebenso zur Zeit Ciceros. Bis auf letzteren war
die Schriftprosa sehr steif und altertümelnd, dem jüngeren Ge-
schleclite ungeniefsbar. Die Sprache aber, welche Cicero redete,
war nur auf einen sehr engen Kreis von Gebildeten beschränkt,
selbst ein Sallust schrieb in alter Sprache. Weiter war Rom allein
Sitz der feineren Prosa. Im übrigen Italien sprach man ein mangel¬
haftes Latein.
Daher die gegensätzlichen Bezeichnungen urbanitas (lingua urbana) und
rusticitas (l. rustica). Aber in Rom selbst sprach die Mehrzahl den sermo
plebeius, stets nur wenige die feinere Schriftsprache.
Zur Kaiserzeit wurde die Rede dichterisch gefärbt, schon Livius, weit
mehr noch Tacitus lieben das poetische Kolorit, und zu Senekas Zeiten war
schon die Sprache Ciceros veraltet. Die Schriftsprache wurde immer rhe¬
torischer, schwülstiger und geschraubter; die bessern Schriftsteller griffen
sogar wieder zum Griechischen und allmählich mufste man, um gut Latein
zu reden, es aus den Büchern studieren oder gar in der Fremde (besonders
Gallien) holen.
1. Geschichtschreibung. Sehr frühe begannen die Römer mit
geschichtlichen Aufzeichnungen, und so ward die historische Litte¬
ratur die älteste in der Prosa, obwohl die ersten Geschichtschreiber
(Annalisten) griechisch schrieben. Mit Kato Censorius fing dann
die Historiographie in römischer Sprache an, und an Kato lehnte
sich eine ansehnliche Zahl von Annalisten (Chronikenschreiber)
an, die aber ihre Annalen meist ohne viel Kritik verfafsten. Eine