Bilder aus der Winterschlacht in Masuren.
eine kleine polnische Stadt an der Bahn Berlin-Petersburg, wo den Truppen
endlich wieder einmal eine kurze Nachtruhe gegönnt werden konnte.
Am 12. und 13. Februar marschierten wir mit frischen Kräften weiter,
und nun begann der interessanteste Teil der Tätigkeit unserer Division. Der
Feind war auf Augustowo und Suwalki zurückgeworfen worden und suchte durch
die großen Waldungen südöstlich dieser Städte in Richtung Grodno zu ent¬
kommen. Unserer Division fiel nun die Aufgabe zu, ihm den Rückzug zu ver¬
legen. Hierzu mußte sie in Eilmärschen in den Rücken des Gegners marschieren,
um ihm das Heraustreten aus den Wäldern zu verwehren.
Der Marsch führte uns durch endlose Waldungen und an festgefrorenen
Seen vorbei. Auch hier war das Wetter wieder gegen uns. Es stellte sich
plötzlich Tauwetter ein, das die unendlichen Schneemassen zum Schmelzen
brachte. Die Wege glichen eher einem See als einer Chaussee. An Stelle
der bisher mitgeführten Schlitten wurden wieder Wagen eingestellt, hie in
aller Eile im Lande beigetrieben werden mußten. Aber nichts konnte uns
aufhalten, in bester Stimmung gingen unsere Truppen gegen den Feind.
Um schneller vorwärts zu kommen, wurden ein paar hundert Infante¬
risten auf herbeigeschafften Wagen vorgesandt, und bereits in der Nacht vom
15. zum 16. Februar wurde die russische Stadt Szopatzkim erstürmt. Hier
war die Bagage*) (spr. bagahsch) eines ganzen russischen Armeekorps ver¬
sammelt, die nun in unsere Hände fiel. Der Morgen zeigte uns ein eigen¬
artiges Bild. Hunderte von Fahrzeugen, Bagagen, Maschinengewehren, Mum-
tions-, Sanitäts- und Proviantwagen und dgl. mehr standen in einem wüsten
Durcheinander auf dem Marktplatz des Städtchens und in den Straßen.
Dazwischen Hunderte von Pferden, teils angespannt, teils losgerissen, brüllendes
Vieh, tote Russen und gefallene Pferde. Hindurch tönten die Kommandos
unserer Truppen, die versuchten, Ordnung in das Durcheinander zu bringen
und die reiche Beute zu bergen. Manch interessanter Fund wurde dort getan.
So fand man „Andenken," die sich die Russen aus Ostpreußen mitgenommen
hatten und die nun wieder zurückgeschickt wurden.
In den nächsten Tagen waren auch die Nachbartruppen herangerückt,
und das Netz schloß sich immer enger um die in den Wäldern steckenden
russischen Armeekorps. Der 21. Februar brachte die Entscheidung des 14-
tägigen Winterfeldzuges in Ostpreußen. Von allen Seiten drangen unsere
Truppeit vor, und am frühen Morgen war das Schicksal des russischen Heeres
endgültig entschieden.
Noch ahnten wir nicht, welche Folgen der Sieg haben würde. Erst im
Laufe der nächsten Tage stellte sich heraus, daß 105 000 Gefangene in unsere
Hände gefallen waren. Unsere Division allein hat in wenigen Tagen mehr
als 1500 Gefangene gemacht und 88 Geschütze, etwa 30 Maschinengewehre,
gegen 1000 Fahrzeuge aller Art wegbefördert, darunter mehrere hundert
vollbeladen mit Munition.
*) Bagage = Gepäck. B. der Truppen = Fahrzeuge, die diese mit sich führen.
Kleine B. — Patronen: u. Medizinwagen. Große B. — Packwagen usw.
Swillus, Unser Ostpreußen. I. 5