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Fünftes Hauptstück.
Viele fürchteten die Thätigkeit des Landgrafen Philipp.
Dieser reiste unter dem Vorwände gefährlicher Krankheit
seiner Frau plötzlich, selbst dem Chnrfürsten unerwartet,
ab. Manche glaubten auf Kriegsrüstungen schließen zu
dürfen. Als die Theologen zu verhandeln begannen,
zeigte sich auf beiden Seiten überraschende Nachgiebigkeit;
die Katholiken räumten sogar ein, daß die Vergebung der
Sünden weder durch vorhergehende, noch durch nachfol¬
gende gute Werke verdient werden könne, indem nur
solchen Werken ein Werth beizulegen sey, welche im Glau»
den unter Gottes Beistand verrichtet werden. Mißbräuche,
wie die Kelchentziehung, Meßopfer, Priesterehe, Kloster¬
gelübde, schienen ein größeres Hinderniß der Aussöhnung
zu seyn, aber hierin sogar kam man sich näher. Bei
dem so wichtigen Punkte, der die Gerichtsbarkeit der
Bischöffe betraf, machten die Protestanten fast gar
keine Schwierigkeiten, und forderten nur, daß die Kir¬
chenregierung auf tüchtige Weise gehandhabk werde. In
einem schriftlichen Gutachten suchte Metanchthon selbst
die Unentbehrlichkeit des bischöfflichen Regiments zu be¬
weisen, und sagte, die Fürsten werden nicht lange im
Stande seyn, der Kirche vorzustehen, weil dieses Geschäft
ihre Kräfte übersteige. Es schien ihm wohl auch Gefahr
zu drohen, daß die weltliche Obrigkeit zu viele Gewalt
in Beziehung auf Religion und Kirche sich anmaßen und
die Erbschaft der Bischöffe eigenmächtig an sich reisten
möchte. Hinsichtlich des Pabstthums bemerkte er: »es
sey gefährlich, eine alte Einrichtung ohne wichtige Gründe
umzustürzen, und wenn gleich der Pabst der Antichrist
seyn sollte, könne man dennoch unter ihm leben, wenn er
nur die reine Lehre und den Gebrauch der Sakramente
nicht anfechte.» Melanchthon wollte dem Pabst seine
Gewalt nicht nach göttlichem, sondern nur nach menschli¬
chem Rechte zugestanden wissen. Er schrieb an einen