Full text: Geschichtsbilder für katholische Elementarschulen

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Reich mit einem Kaiser an der Spitze wieder erstehen müsse. Und dieser 
Kaiser konnte niemand anderes sein, als der greise Held, der Deutschland 
von Sieg zu Sieg geführt, der auf einer Siegesbahn ohnegleichen all die 
Schmach gesühnt, die Deutschland von seinem ländergierigen Nachbar seit 
drei Jahrhunderten erlitten hatte. Und während in raschem Fortschritte 
ganz Frankreich von den deutschen Heeren überwältigt und niedergeworfen 
wurde, brach in Versailles, dicht vor den Toren von Paris, endlich der Tag 
heran, der die höchste Freude für ganz Deutschland bedeutete, der dem 
Werke, das die vereinte Kraft Deutschlands vollführt hatte, nun erst die 
Krone aufsetzte durch die friedliche und feierliche Erneuerung des Deutschen 
Kaisertums. Mit diesem Tage erfüllte sich die Sehnsucht des deutschen Volkes, 
erfüllte sich auch das Wort, das Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gesprochen, 
als ihm Abgesandte des deutschen Volkes 1849 die Deutsche Kaiserkrone 
angeboten hatten: „Die Deutsche Kaiserkrone wird nur auf dem Schlachtfelde 
gewonnen." 
bb) Die Bitte des deutschen Volkes und seiner Fürsten an 
König Wilhelm. Schon anfangs Dezember 1870 hatte der hochherzige 
jugendliche Bayernkönig Ludwig im Einverständnis mit den übrigen 
deutschen Fürsten dem greisen Könige Wilhelm den Vorschlag gemacht, neben 
dem Deutschen Reiche auch die Deutsche Kaiserwürde wieder herzustellen, mit 
Zustimmung der deutschen Fürsten den Kaisertitel anzunehmen und so das Werk 
der Einigung Deutschlands zu vollenden.*) Mit der Stimme der Fürsten ver¬ 
einigte sich auch der Wunsch des deutschen Volkes. Am 18. Dezember er¬ 
schienen 30 Abgeordnete des Norddeutschen Reichstages in Ver¬ 
sailles vor König Wilhelm und richteten die Bitte an ihn, die Deutsche 
Kaiserkrone anzunehmen. In der Adresse, die ihm bei dieser Gelegenheit 
überreicht wurde, heißt es: 
„Vereint mit den Fürsten Deutschlands naht der Norddeutsche Reichstag mit der 
Bitte, daß es Ew. Majestät gefallen möge, durch Annahme der Deutschen Kaiserkrone 
das Einigungswerk zu weihen. Die Deutsche Krone auf dem Haupte Ew. Majestät 
wird dem wiederaufgerichteten Reiche deutscher Nation Tage der Macht, des Friedens, 
der Wohlfahrt und der im Schutze der Gesetze gesicherten Freiheit eröffnen. Das Vater¬ 
land dankt dem Führer und dem ruhmreichen Heere, an dessen Spitze Ew. Majestät 
heute noch auf dem erkämpften Siegesfelde weilt. Unvergessen für immer werden der 
Nation die Hingebung und die Taten ihrer Söhne bleiben. Möge dem Volke bald 
vergönnt sein, daß der ruhmgekrönte Kaiser der Nation den Frieden wiedergibt. 
Mächtig und siegreich hat sich das vereinte Deutschland im Kriege bewährt unter einem 
höchsten Feldherrn, mächtig und friedliebend wird das geeinigte Deutsche Reich unter 
seinem Kaiser sein."**) 
*) Siehe den Brief König Ludwigs an König Wilhelm in „Albert Richter, 
Quellenbuch." 5. Ausl. S. 300. Ebenso den Brief des Bayernkönigs an die andern 
deutschen Fürsten und Freien Städte. Ebenda S. 301. 
**) Siehe die vollständige Adresse in „Albert Richter, Quellenbuch" S. 302.
	        
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