weder die Erlaubnis der Obrigkeit haben, oder Mitglied einer Zunft, 
Innung oder Gilde werden. Der Eintritt in diese Körperschaften konnte 
jedoch, selbst wenn der Bewerber alle Eintrittsbedingungen erfüllt hatte, 
willkürlich verweigert werden, wenn er den maßgebenden Persönlichkeiten 
aus irgend welchem Grunde nicht genehm war. Die Mitglieder der Zunft 
erklärten dann einfach, daß ihre Interessen durch den Eintritt des Be¬ 
werbers gefährdet würden. Ebenso willkürlich verfuhren die Beamten, 
denen es oblag, die Gesuche der Handwerker zum Betriebe eines Gewerbes 
zu prüfen. 
Daß die Voraussetzung für den Betrieb eines zünftigen Gewerbes 
von dem Bestehen einer bestimmten Lehrzeit, einer Gesellenprüfung, einer 
Wanderzeit und vielfach auch einer Meisterprüfung abhängig gemacht 
wurde, erscheint uns verständlich, die wir nach einer in dieser Beziehung 
fast schrankenlosen Gewerbefreiheit zu ähnlichen Einrichtungen zurückge¬ 
kehrt sind; nicht billigen können wir aber die mittelalterliche Vorschrift, 
daß der Meisterkandidat zuvor das Bürgerrecht erwerben und hierfür, 
selbst wenn er Bürgerssohn war, hohe Gebühren zahlen mußte, und daß 
ferner die Innung eine hohe Eintrittsgebühr erhob. 
Ein weiteres Merkmal des Zunftwesens bildeten die Zwangs- und 
Bannrechte, auf Grund welcher gewisse Gewerbetreibende verlangen konnten, 
daß die Einwohner eines bestimmt begrenzten Bezirks gewisse zum Lebens¬ 
unterhalt nötige Sachen nur von ihnen beziehen durften; so durften sie 
z. B. das Getreide nur in der Mühle des Bannberechtigten mahlen lassen, 
und dieser konnte die ihm zustehende Abgabe auch dann beanspruchen, 
wenn ein Bewohner seines Bezirks in einer anderen Mühle mahlen ließ. 
Man verhinderte durch diese zünftigen Beschränkungen zwar das 
Anwachsen einer übermäßigen Konkurrenz und erhielt die bestehenden, 
solchergestalt privilegierten Gewerbebetriebe lebensfähig; aber andererseits 
verkümmerte doch manch aufstrebendes Talent zum Schaden des deutschen 
Handwerks und der Allgemeinheit. Wenn trotz dieser Beschränkungen 
namentlich das Kunstgewerbe im Mittelalter zu einer auch heute noch un¬ 
erreichten Blüte gelangte, so beweist dies eben, welche Kraft im deutschen 
Bürgertum und namentlich im Handwerkerstande steckte, und läßt ahnen, 
zu welchen Leistungen Deutschlands Handwerker bei freiester und unbe¬ 
schränktester Entfaltung ihrer Kräfte Hütten gelangen können. 
Auch in andern Ländern Europas herrschten im Mittelalter und 
in späterer Zeit ähnliche Zustände auf gewerblichem Gebiete wie in 
Deutschland. Eine gewaltige Umwälzung ging von Frankreich aus in¬ 
folge der ersten ftanzösischen Revolution. In diesem Lande wurde im 
Jahre 1791 das alte einengende Zunftwesen gänzlich beseitigt und die 
vollkommene Gewerbefreiheit eingeführt. Jeder, der gegen Zahlung einer 
bestimmten Steuer einen Gewerbeschein löste, konnte ungehindert jedes 
Gewerbe (ausgenommen das der Apotheker und der Drogenhändler) 
treiben. In den Jahren 1810 und 1811 führte auch Preußen fast völlige 
Schmarje u. Trenkner, Leseb. f. Fortbildungsschulen. 18
	        
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