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Gründung von Cluny. Dessen erste Äbte.
Die Kongregation von Cluny.
Zu Ende des 9. Jahrhunderts hatten große Reichtümer den Benediktinerorden in Frank¬
reich tn Verfall gebracht. Eine Hauptquelle des Verderbnisses lag in dem Mangel an jedem
inneren Zusammenhang unter den Klöstern; alles hing ausschließlich von der Persönlichkeit
des einzelnen Abtes ab. Freilich war in den früheren Zeiten den Bischöfen noch eine Ein-
wirkuug eingeräumt; aber wie schwer wurde diese, wenn oft der Abt an Macht und äußerem
Ansehen dem Bischof gleichstand! Der Papst war zu fern; die Unordnung konnte tiefe Wur¬
zeln geschlagen haben, bis er Kunde davon erhielt, und auch dann stand gewöhnlich nur
mittelbare Hilfe zu Gebote. Diesen Übelstand haben alle jene Männer gefühlt, welche von
dem 10. Jahrhundert an durch verschiedene Zusätze, Auslegungen und Verschärfungen die
Mönche der Regel des heiligen Benedikt zu gewissenhafterer Erfüllung ihrer Obliegenheit
zurückführen wollten. Zur Zeit, da eben in Karl dem Einfältigen der karolingische Königs¬
stamm seinem Erlöschen nahe war, gedachte Wilhelm der Fromme, Herzog von Aquitanien
und Graf von Auvergne, mit seiner Gemahlin Jngeburg eiu Kloster zu stiften. Darüber
beriet er sich mit Hugo, Abt des heiligen Martin von Autun.
Als Hugo iu Begleitung Wilhelms unfern eines Weilers und einer zu Ehren der hei¬
ligen ^Jungfrau und dev Apostelfürsten Petrus erbauten Kapelle bei einem anmutigen Wasser¬
fall des Flüßchens Grosne die geeignete Stelle zur Ausführung des Vorhabens gefunden zu
haben glaubte, wendete der Herzog ein, es möchte hier wohl allzuoft das Weidwerk Störung
veranlassen. Aber schnell entgegnete der Ordensmann: „Laß die Hunde weg und führe die
Mönche eiu! Du weißt wohl, welchen Lohn vor Gott beide dir schaffen." Da willigte der
Herzog freudig ein und verfügte, daß auf dem kurz zuvor durch ihn erworbenen Eigentum
zu Ehren der Apostel Petrus und Paulus ein Kloster erbaut werde.
Als ^erster Abt wurde auf Hugos Vorschlag Berno ans einem benachbarten Kloster
berufen, yhm folgte Odo, aus fränkischem Kriegerstamme. Er war an Herzog Wilhelms
erzogen, hierauf in den geistlichen Stand getreten und in diesem zu gereiftem Alter vor-
gerücft. Odo sah, wie in so manchen Klöstern die Lebensbestimmung aus den Augen gelassen
wurde. Deswegen gedachte er, die ursprüngliche Disziplin des heiligen Benedikt herzustellen,
nach derselben das Klojterleben von neuem zu ordnen und mehrere Nachbarklöster zu deren
getreuen Befolgung zu bewegen. Daß er der Mann hierzu war, bewährte er durch Strenge
gegen sich selbst und durch Aufopferung für andere. Mit offenen Händen gab er den Armen,
ohne an den folgenden Tag zu denken. Sein Vorbild, seine Tätigkeit, sein langes Leben
bewirken den Anschluß einer Menge Klöster an das feinige; von Benevent bis zum Atlanti¬
schen X-zean^ freuten sich viele seiner Leitung. Darum muß er eigentlich der Stifter der clunya-
cenfifchen Ordensverbindung genannt werden.
Bescheidenheit und Demut gewannen seinem Nachfolger Aymar sowohl das Vertrauen
der Bruder als die Gunst der Begüterten, zahlreiche Schenkungen, Schutz- und Freibriefe.
Es ist schwer zu entscheiden, welchem seiner Nachfolger, Majolus oder Odilo oder Hugo I.,
in würdiger Führung des Vorffeheramtes, in treuer Obsorge für ihre Stiftung, in weit¬
reichender Verbindung mit allen in Kirche und Welt hochgestellten Persönlichkeiten, in aus¬
gezeichneter Gunst bei Kaisern, Königen und Fürsten der Vorrang gebühre. Kaiser und
Könige, Päpste und Bischöfe standen mit den Äbten von Cluny in enger Verbinduug, die
Großen hörten aus ihren Rat. Drei Oberhäupter der Kirche gingen aus diesem Ordens-