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Schlacht Bei Mohi.
flieht," und Herzog Mieczyslaw folgte dem feigen Rate. Desto tapferer fochten Meister Poppo
und Herzog Heinrich. Erst als jener verwundet und dieser getötet worden, war die Schlacht
rettungslos verloren. Die Mongolen zogen den Herzog nackt aus, hiebeu ihm den Kopf
ab, steckten diesen auf eine Lanze und verlangten nun, die Burg von Liegnitz solle sich nach
dem Tode ihres Fürsten gutwillig ergeben. Aber die Herzogin Anna, welche sich mit ihren
vier Kindern in der Burg befand, gab zur Antwort, noch wären vier fürstliche Erben am
Leben und die Besatzung sei bereit, Gut und Blut für diese einzusetzen.
Nun wandten sich die Mongolen, welche als Zeichen des Sieges neun Säcke voll Ohren
dem Großchan schickten, durch Oberschlesien nach Mähren, das ebenso wie Schlesien furchtbar
verwüstet wurde, und von da zu ihrem Hauptanführer Batu nach Ungarn. Sie hatten ja
auch bedeutende Verluste erlitten und Heinrichs Schwager, König Wenzel von Böhmen, war
am 7. April von Prag ausgezogen und nur noch einen Tagmarsch entfernt.
Binnen mehr als taufend Jahren sah sich Europa uur zweimal von einer ähnlichen
Gefahr bedroht: Karl Martell schützte Europa durch seinen Sieg bei Tours gegen die
mohammedanische Religion und snltanische Willkür und auf der heiligen Stelle von Wahl¬
stadt wurde am 26. August 1813 der erste unter den herrlichen Siegen erfochten, welche von
der Einverleibung in ein Reich retteten, wo Ungebundenheit der Sitten und Tyrannei der
Regierung sich auf arge Weise vertrugen. Aber so groß auch diese beiden Gefahren er¬
scheinen, wer wird nicht eine mongolische Sklaverei für die entsetzlichste halten?
Damals fürchtete man diese allgemein und die Nachricht von der Niederlage bei Liegnitz
erweckte Furcht und Schrecken in allen christlichen Landen von der Oder bis nach Sizilien.
Die zunächst bedrohten sächsischen Fürsten und Bischöfe hielten einen Tag in Merseburg und
beschlossen, nicht die gewöhnlichen, bei solcher Not unzureichenden Kriegsmittel anzuwenden,
sondern den alten Heerbann noch überbietend das gesamte Volk, Männer, Weiber und Kinder
mit dem Kreuze zu bezeichnen. Wer nicht persönlich am Kriege teilnahm, der mußte wenig¬
stens mit seinem Gute beisteuern, so daß kein einziger sich der Pflicht, für die Rettung des
Vaterlandes zu wirken, ganz entziehen konnte. Ehe sich jedoch das neugebildete Heer in
Bewegung setzte, traf die freudige Botschaft von der Räumung Schlesiens ein; desto traurigere
Nachrichten kamen aus Ungarn. König Bela war bei Mohi von den Mongolen geschlagen worden,
so daß fast kein Teil des Landes von ihren furchtbaren Verwüstungen und Grausamkeiten
verschont blieb. Sie sonderten die Einwohner eines jeden eroberten Ortes nach Alter und
Geschlecht, hieben die Männer nieder und drückten den Greisen, welche den linken Arm in
die Höhe halten mußten, einen Pfeil in das Herz. Die schönen Ungarinnen wurden von
den mongolischen Weibern erstochen, die häßlichen verstümmelt und zu Sklavinnen gemacht.
Alle gefangenen Kinder mußten sich niedersetzen und die mongolischen Knaben, damit diese
Brut frühzeitig in Freveln sich übe, erhielten von ihren Müttern Knüttel, um jene zu er¬
schlagen. Denjenigen lobte man am meisten, welcher einem ungarischen Kinde mit einem
Schlage den Kopf zerschmetterte. Manche Gefangene wurden geschunden, andern spitzige
Hölzer unter die Nägel gesteckt, und wenn nichts mehr zn morden und zu plündern übrig
war, die Orte angezündet. Raubvögel zogen, durch die unbegrabenen Leichname angelockt,
in Scharen herbei; Wölfe drangen in die wenigen übrig gebliebenen Wohnungen und zer¬
fleischten Säuglinge au den Brüsten der Mütter. Ja, der Hunger soll so entsetzlich über¬
hand genommen haben, daß Menschenfleisch öffentlich verkauft wurde und ein Mann bekannte,
er habe acht Mönche und sechzig Kinder geschlachtet.