Kämpfe. Die Religion muß vermitteln.
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Dinge bemerkbar. Die einen trugen eine hohe, die andern darum eine niedriger geformte
Kopfbedeckung, die Häuser der Welfen hatten zwei Fenster an der Vorderseite, die der Ghi-
bellinen drei, die einen viereckige, die andern spitze Zinnen, die Farbe, eine Blume, der Schnitt
der Haare, die Weise zu grüßen, ja sogar das Brot zu schueiden und das Tischtuch zu falten,
alles diente zur Unterscheidung von Welfen und Ghibellinen.
Im Vollgefühl der Kraft übermütig, glühend vor Stolz und Neid, den fieberhaften
Leidenschaften des Südens, war es ihnen, um den einsichtigsten Rat, den weisesten Vorschlag
zurückzuweisen, genug, daß er von der entgegengesetzten Partei kam. Unablässig spannen sich
die im Finstern schleichenden Verschwörungen und Zwistigkeiten in den Familien fort, weil
häufig Vater und Söhne oder Brüder verschiedenen Parteien angehörten, und der geringste
Anlaß führte zu blutigen Kämpfen wie zwischen Todfeinden. Wo die Volkspartei einen
Aufstand erregte, ertönte dumpf die große Bürgerglocke, die Straßen wurden verrammelt, um
der Reiterei, der Hauptmaste des Adels, den Durchgang zu wehren, man griff die befestigten
Paläste an und erkletterte deren Türme. Aber weh den Siegern, wenn sie die Edelleute
bis ins freie Feld verfolgten! denn hier konnten diese wieder ihre Pferde und Waffen ge¬
brauchen.
Änderungen der Verfassung wurden nicht zum Vesten des Gemeinwesens, sondern nur
deshalb vorgenommen, um die siegreiche Partei zu kräftigen, damit sie die erlangte Ober¬
gewalt behaupten könne. Man konnte sich keines wahrhaft sicheren, friedlichen Zustandes er¬
freuen; denn es gab stets eine unzufriedene Partei, die jedem Unruhestifter als Werkzeug zu
Gebote stand. Jede Stadt war unter einem Spottnamen bekannt, den eine Nebenbuhlerin
ihr beigelegt hatte, und auch hieraus entspannen sich hartnäckige und blutige Kämpfe. Die
Chroniken sind voll solcher erbitterter und von den kläglichsten Folgen begleiteter Feindselig¬
keiten um der kleinlichsten Dinge willen und die Sieger entblödeten sich nicht, auf die im
traurigen Bürgerkriege gewonnenen Trophäen noch stolz zu sein. In Genua sind bis heute
die aus dem Hafen von Pisa entführten Ketten aufgehäugt. Die Bürger von Perugia
brachten auf dem Bannerwagen der Besiegten die Stadttore von Foligno heim, die von
Lodi ließen eine Münze prägen zur Erinnerung an einen den überwundenen Mailändern
angetanen Schimpf u. dgl.
Mitunter wurden in den Streitigkeiten andere befreundete und unbeteiligte Republiken
um ihre Vermittlung angerufen. Wenn jedoch die Erbitterung den höchsten Grad erreicht
hatte und alle Mittel zur friedlichen Beilegung erschöpft waren, trat die Religion als Ver¬
mittlerin auf. Mitten in die blutig lodernden Flammen der Zwietracht zwischen die Reihen der
Kämpfenden führte sie ihre waffenlose Miliz, um im Namen des Herrn dem brudermörderischen
Kriege Einhalt zu gebieten. Aus dem 13. Jahrhundert hat sich bis in die neueste Zeit
zu Florenz die Misericordia-Brnderschaft erhalten, die ihre Mitglieder in einer Art schwarzem
Rock mit Kapuze und Rosenkranz überallhin sendet, wo es gilt, einem Verwundeten beizu¬
springen, ihn ins Spital zu bringen und zu verpflegen. Rom besaß seine Saceoni, die sich,
ganz in ihre Kutte eingehüllt, so daß nur die Augen sichtbar blieben, wenn irgendwo ein
Wütender Flüche ausstieß und mit dem Messer drohte, dem erhobenen Arm entgegenwarfen,
ohne etwas anderes zu tun, als ihre Hände flehend entgegenzustrecken; diese stumme Bitte
genügte gewöhnlich, um die Lästerung auf deu Lippen zu ersticken, den Dolch der zürnenden
Hand zu entwinden.
Insbesondere ließen es sich die beiden neuen Orden der Dominikaner und Franziskaner
angelegen sein, den Haß zu besänftigen, Versöhnung und Eintracht zu predigen und die
Worte des Friedens von einer edlen Familie zur andern, von Stadt zu Stadt zu tragen.