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Die spanische Inquisition ein königliches Gericht.
Daß diese spanische Inquisition kein kirchliches, sondern wesentlich ein politisches Institut war,
wird von bedeutenden Geschichtschreibern zugestanden. So äußert Ranke: „Irre ich nicht
ganz, so ergibt sich, daß die Inquisition ein königlicher, nur ein mit geistlichen Waffen aus¬
gerüsteter Gerichtshof war. Erstens waren die Inquisitoren königliche Beamte. Die Könige
hatten das Recht, sie einzusetzen und zu entlassen; wie andere Behörden unterlagen auch die
Jnquisitionshöse den königlichen Visitationen. Zweitens fiel aller Vorteil von den Konfiska¬
tionen dieses Gerichtes dem König anheim. Drittens war erst hierdurch der Staat voll¬
kommen abgeschlossen; der Fürst bekam ein Gericht in die Hand, dem sich kein Großer, kein
Erzbischof entziehen durfte. Wie demnach das Gericht auf der Vollmacht des Königs be¬
ruht. so gereicht seine Handhabung zum Vorteil der königlichen Gewalt." Ähnlich urteilt
Leo: „Jsabella wußte durch die Inquisition, die, ein ganz von ihr abhängendes geistliches
Institut, gegen Laien und Geistliche zugleich gerichtet war, den Adel und die Geistlichkeit von
Kastilien zu beugen." Der französische Geschichtschreiber Guizot erklärt „die Inquisition
für ein mehr politisches als religiöses Institut, weit mehr dazu bestimmt, die Staatsordnung
aufrecht zu erhalten, als den Glauben." Sehr richtig bemerkt Matthias Koch: „In den
Niederlanden war die Inquisition wie überall, wo sie bestand, als ein notwendiges und,
wie man damals zu sagen pflegte, als ein „heiliges Institut" betrachtet und so lange nicht
verhaßt, als man das Volk nicht dagegen hetzte und die Zahl derjenigen, welchen vor ihr
bangte, eine geringe war. Nichts ist irriger als Preseotts Vorstellung, wenn er sagt:
„Das Volk der Niederlande empfand vor der Inquisition den nämlichen Schauder, den ein
freies und aufgeklärtes Volk wohl heutzutage vor ihr empfinden würde." Diese Über¬
tragung unserer Anschauung auf frühere Jahrhunderte wird am besten durch die Tatsache
widerlegt, daß die in allen katholischen Ländern bestehende geistliche Gerichtsbarkeit befugt war,
seines Glaubens und Wandels wegen jeden, ber verdächtig war, zur Rechenschaft zu ziehen,
und die weltliche Gesetzgebung aller Staaten wegen Glaubensabfall, Gotteslästerung oder
Zauberei und anderer Verbrechen gegen die Religion keine minder schweren Strafen ver¬
hängte, als diejenigen waren, welche die Edikte Karls V. bestimmten.
Jede Erscheinung in der Geschichte muß nach dem Zeitalter und den Umständen
beurteilt werden, unter welchen sie auftrat; also auch die spanische Inquisition nach den
Grundsätzen jener Zeit, nicht nach denen des 19. Jahrhunderts. Damals galt der Satz
„Cuius regio, illius et religio" in allen protestantischen Staaten. Wir erinnern nur an
die Pfalz, deren Bewohner je nach der Religion ihres Landesherrn bei schweren Strafen
gezwungen wurden, bald lutherisch bald calvinisch zu werden; desgleichen waren die ehe¬
maligen peinlichen Gerichtsordnungen durchgehende viel strenger und blutiger als heutzutage.
Müssen wir doch staunen über die Härte der Carolina (peinliche Halsgerichtsordnuug
Karls V.), worin nicht nur Gotteslästerung und Zauberei, sondern selbst wiederholter Dieb¬
stahl mit dem Tode, Sodomie mit Feuer usw. bestraft wurde.
Was die Strafbarkeit der Ketzerei betrifft, waren die Ansichten der Protestanten in
diesem Punkte ebenso streng, wo nicht strenger als diejenigen der Katholiken. So wnrde
Michael Servede auf Antrag Calvins wegen Ketzerei in der Dreieinigkeitslehre an lang¬
samem Feuer gebraten, der Wiedertäufer Felix Mauz auf Zwinglis Veranlassung ersäuft,
Valentin Gentilis als Antitrinitarier in Genf enthauptet, ja, in dem kleinen Gebiete der
Reichsstadt Nürnberg wurden von 1577—1617 gegen 356 der Ketzerei und Zauberei ver¬
dächtige Persoueu hingerichtet und 345 gestäupt und verstümmelt.
Unter Philipp II. verhütete die Inquisition das Einschmuggeln des Protestantismus
und während der Herrschaft der Bourbonen fiel ihr die Aufgabe zu, grobe sittliche Ver-