114
Soliman erobert Belgrad.
wunderbaren Erfolgen gekrönt, zeigte er zugleich den von der katholischen Kirche abgefallenen
Abendländern, wo die wahre Kirche Christi sei, während er in den östlichen Erdstrichen In¬
diens Taufende zum himmlischen Vater und seinem Eingebornen Sohne beten lehrte.
Soliman der Prächtige.
Den Gipfel seiner Macht erreichte das Osmanenreich in Europa unter Soliman dem
Prächtigen. Christliche Fürsten, wie Konstantin, Theodosins, Ludwig IX. von Frankreich,
hinterließen ihren Nachfolgern große Lehren als Vermächtnis; auch Solimans Vater, Selim I.,
ließ seinem Sohne ein solches Testament zurück. Wenn aber Ludwig IX. sagte: „Nichts ge¬
fällt Gott so sehr, als das Schauspiel der Eintracht und des Friedens," so war Selims
letzter Seufzer ein Kriegsruf: „Ich sterbe zehn Jahre zu früh, wie viel bleibt mir noch zu
tun übrig! Ich wollte Persien vernichten, die Christen von Rhodus und Ungarn besiegen
unb mein siegreiches Schwert über bte Donau tragen. Ich hinterlasse meinem Sohne meine
Eroberungen, mit bent Auftrag, sie fortzusetzen." Diesen letzten Willen vernahm Soliman
unb erfüllte ihn treulich; beim fein ganzes Leben war Krieg gegen bie Christen unb Perser
unb nur ber' Tob entriß seiner Hanb bas Schwert der Eroberung.
Kaum hatte er den Thron bestiegen, so schickte er einen Gesandten an den König von
Ungarn, um wegen Verlängerung der dreijährigen Waffenruhe zu unterhanbeln, bie fein
Vater Selim geschlossen hatte, an bie sich jeboch Soliman nicht gebunben hielt. Die ungari¬
schen Großen suchten ben Abschluß ber Verhanblungen hinauszuschieben unb hielten ben
türkischen Gesanbten zurück. Nun beschloß Soliman, Ungarn uuschäblich zu machen. Er
rückte mit einem gewaltigen Heere von 100,000 Mann heran, belagerte unb eroberte
Belgrab unb der Fall von Belgrad zog den anderer Städte unb Burgen an ber Save unb
Donau nach sich. Der Beherrscher ber Gläubigen verwanbclte bie Domkirche von Belgrab
in eine Moschee unb hielt bann im Oktober 1520 unter bent Jubel bes Volkes wieber seinen
Einzug in Konstantinopel.
Durch bie Einnahme von Belgrab hatte Soliman bie Nieberlage, welche bie Ungarn
unter ber tüchtigen Führung Hunyabys 1441 vor ben Wällen biefer Stabt ben Türken
beigebracht hatten, gerächt. Um bie Ehre ber romanischen Waffen ganz wieber herzustellen,
beburste es nur noch einer Züchtigung ber Johanniter, bie 1480 ben Eroberer von Byzanz
unb Griechenlcmb siegreich von Rhobus zurückgewiesen hatten. Noch anbere Grünbe be¬
stimmten Soliman zur Eroberung von Rhobus. Diese Insel war bie letzte Ansteblung
ber Christen in Asien, ber vorgeschobene Posten des Abendlandes im Archipel: solange bte
Ritter Herren berfelben blieben, gehörte bie Schiffahrt auf bem Mittellänbifchert Meere ben
christlichen Nationen unb Soliman mußte bestänbig einen neuen großen Eroberungszug
Europas gegen Palästina, Syrien unb selbst Ägypten befürchten. Jrtbem ber Sultan ben
Rittern Rhobus entriß, vernichtete er, wie er sich ausbrückte, ben Krebs im Herzen seines
Reiches, gewann einen wichtigen Verbinbungspunkt zwischen Stambul unb Kairo und sicherte
außerdem die Freiheit des osmanifchen Handels und den heiligen Weg nach Mekka für die
syrischen Pilger. Der Zeitpunkt, den Soliman zu seinem Unternehmen wählte, konnte nicht
glücklicher sein; denn infolge ber burch bie Reformation in ganz Europa entstanbenen Garung
unb ber blutigen Kriege zwischen Karl V. unb Franz I. von Frankreich konnte von einer
Unterstützung ber Ritter aus bem Abenblanbe nicht bie Rebe sein. Ihren eigenen Kräften
überlasten, konnten bie Johanniter Soliman nicht besiegen.