§ 27. Der böhmische Feldzug und der Friede zu Prag. 201
Napoleon, in all seinen Berechnungen getäuscht, übernahm gegen die Abtretung
Abtretung Veuetiens die vom Kaiser Franz Joseph erbetene Friedens-
Vermittlung. König Viktor Emanuel war mittlerweile mit dem Haupt- 4 Ju« im.
teil seines Heeres infolge der Kopflosigkeit seines Generalstabschefs La
Marmora von dem Erzherzog Albrecht mit einem kaum halb so
starken Heere bei Custoza (sw. v. Verona) geschlagen und über den Niederlage
Mincio in die Lombardei zurückgewichen. Auf den von Napoleon gefor-
berten Waffenstillstand durfte er angesichts der nationalen Entrüstung 24- Juni isee.
nicht eingehen, mußte vielmehr wieder in Venetien, trotzdem es formell ^ü^etnen6"
Eigentum Frankreichs war, einrücken. Auch König Wilhelm nahm den Waffenstillstand.
Waffenstillstand nur für den Fall an, daß ein allgemeiner Vorfriede
vereinbart würde. Während der Verhandlungen darüber führte König
Wilhelm das siegreiche Heer nach Mähren und erreichte mit seinem
Hauptquartier am 18. Juli Nikolsburg (s. v. Brünn). Bereits war
am 22. Juli Mittags der General v. Fransecky im Begriff, im sieg¬
reichen Gefecht bei Blumenan den Donauübergang bei Preßburg zu Gefecht bei
erzwingen, um gegen Wien, zu dessen Schutz Erzherzog Albrecht mit
ca. 90000 M. von der Südarmee herbeigeeilt war, vorzudringen, da trat
der Waffenstillstand ein.
2. Der Vorfriede von Nikolsburg und der Friede zu Prag. Waffenstillstand
Bei der Meisterschaft, mit der Bismarck die Verhandlungen über den Vor- “on^Surg
frieden führte, gelang es ihm einerseits, Napoleons Drängen nach einer 22-u Suli
„Kompensation am Rhein", mit der sich seine Staatsmänner von den
„patriotischen Beklemmungen" zu befreien und der Kaiser selbst das Pariser
Geschrei nach „Rache für Sadowa" zu befriedigen gedachte, hintanzuhalten;
andererseits überwand Bismarck das Verlangen des Königs, sich von
Österreich Teile Böhmens und das Herzogtum Schlesien abtreten zu Preußens
lassen, und gewann ihn, vom Kronprinzen unterstützt, für den groß- Mäßigung,
artigen Gedanken, Österreich unversehrt zu lassen, um möglichst bald
es zu einem Bündnisse bereit zu finden. Wo alles vom Siege trunken
war, da triumphierte dank Bismarck der Friedensgedanke über die Er¬
oberungspolitik.*) Am 26. Juli wurde der Vorfriede unterzeichnet,
kraft dessen Österreichs und Sachsens Länderbestand unversehrt blieb,
Österreich sein Anrecht an Schleswig-Holstein an Preußen abtrat, die
politischen Einrichtungen und die territorialen Veränderungen, die Preußen
in Norddeutschland vornehmen würde, anerkannte und 20 Mill. Thlr.
Kriegskosten bezahlte. Auf Grund dieses Vorfriedens wurde dann zu
Prag der endgültige Friede abgeschlossen, der dieselben Haupt-Friede zu Prag
bestimmungen enthielt, in dem aber auf Napoleons Verlangen noch 23, atU0-1866
festgesetzt wurde, daß die Bevölkerung Nord-Schleswigs über ihre Zu¬
gehörigkeit zu Dänemark oder Preußen befragt werden sollte. Dieser
*) Vgl. Bismarck, Gedanken und Erinnerungen II, S. 42 ff.