Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker (Band 3)

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Stein von Napoleon geächtet. 
Von diesem Standpunkte betrachtet, erscheinen die administrativen Verordnungen, wie sie 
teils noch unter Steins unmittelbarer Leitung zustande kamen teils von ihm vorbereitet und 
nach ihm vervollständigt wurden, als höchst zweckmäßig, ja, einzig richtig, ohne darum ein 
Ideal für alle Zeiten zu sein. Die Leibeigenschaft und andere Dienstbarkeiten wurden aufge¬ 
hoben; jeder Bürgerliche erhielt die Erlaubnis, Rittergüter zu kaufen, jeder Edelmann die Mög¬ 
lichkeit, unbeschadet feines Adels bürgerliche Gewerbe zu treiben. Die Verschränkung gutsherrlicher 
und bäuerlicher Verhältnisse sollte, wo nur immer möglich, eintreten, die Nutzung von 
Grund uud Boden von seiten des Staates so bequem gemacht werden, wie die Natur der 
Sache es znließ, und möglichst freie Disposition über das Grundeigentum gewährt fein. Eine 
neue Städte- und Regiernngsordnnng vollendeten den Kreis dieser Einrichtungen; doch wurde 
die Negierungsordnung vom 10. Dezember 1808 erst nach dem Abgange Steins publiziert. 
leitende ministerielle Tätigkeit beschränkt, sondern 
bildete mit seinen Verwandten und Freunden 
weithin bis zum Rheine eilte Kette, deren Glieder 
alle Napoleon feindlichen Elemente in Deutschland 
auszuforschen, zu nähren und unter sich in Ver¬ 
bindung zu setzen suchten. Ein Franke in feinem 
ganzen Charakter, scharf im Auffassen, aber stür¬ 
misch, heftig und gewaltig, hatte Stein schon 
mehrfach sich weniger in acht genommen, als es 
rötlich gewesen wäre. 
Mitte August 1808 begab sich Assessor Koppe 
mit Aufträgen von Königsberg, wo noch der Hof 
nnd die Ministerien waren, nach Berlin. Stein, 
der eben von einer Mittagstafel kam und durch 
die Unterhaltung etwas erregt war, fand Koppe 
reisefertig und schrieb rasch noch einen Brief an 
den Fürsten Wittgenstein. Koppe wurde von 
den Franzosen angehalten, Steins Brief fiel ihnen 
in die Hände. Erst als der Verfasser ihn im 
Moniteur abgedruckt las, sah er, wie unvorsichtig 
er sich geäußert. Da im Moniteur zugleich Napo¬ 
leons Unwille gegen Stein deutlich ausgedruckt war, wäre dieser für Preußen zunächst nur 
eine gefährliche Saft gewesen. Er nahm also am 26. November 1808 seinen Abschied und 
reiste nach Berlin. Hier las er das Ächtungsdekret Napoleons, das aus Madrid datiert 
und wodurch Stein für vogelfrei erklärt war. Zugleich erfuhr er, daß die französischen Be¬ 
hörden bereits feine Auslieferung verlangten; so floh er eiligst nach Österreich. Die Ächtung 
diente nur dazu, das Ansehen Steins in aller Augen zu heben und ihn in Böhmen von 
neuem zu einem Mittelpunkte fast aller deutschen Interessen gegen Frankreich zu machen. 
Für die Durchführung feiner Gesetze in Preußen war es vielleicht sogar förderlich, daß der 
stürmische Geist des rheinfränftfchen Freiherrn nicht präsidierte. 
Gerhard David Scharnhorst, geboren 1756 zu Hammelfee im Hannoverischen, sollte 
ein wahrer David werden, der von der Weide der Herden weg mit ferntreffender Schleuder 
den corfischen Goliath niederzuwerfen berufen war. Er verlebte eine harte Jugend in bäuer¬ 
licher Umgebung unter angestrengter Arbeit uud arbeitete sich mühsam durch eigenes Verdienst 
empor. An der Kriegsschule des Grafen Wilhelm von Bückeburg erhielt er eine sehr tüchtige 
Stein hatte sich nämlich nicht auf feine 
König Friedrich Wilhelm III.
	        
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