Full text: 40 Lektionen, umfassend den Zeitraum von Luther bis in die neueste Zeit (Jahrgang 2)

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d. H. Deutschland berauben und demütigen. Darum eben kam ihm im Jahre 
1866 der Krieg zwischen Preußen und Österreich gelegen. Er hoffte, daß 
das kleine Preußen dem mächtigen Österreich unterliegen oder wenigstens 
so geschwächt werden würde, daß er seine Forderungen durchsetzen könne. 
Aber die Schlacht bei Sadowa vereitelte seine Hoffnungen. Preußen ging 
gestärkt und mächtiger als vorher aus dem Kampfe hervor. Darum ver¬ 
langte er zunächst, daß der Norddeutsche Bund an der Mainlinie Halt mache, 
auch forderte er dafür, daß er sich neutral verhalten habe1), einige deutsche 
Länderstrecken auf dem linken Rheinufer. Mit Luxemburg, Rheinbayern und 
Rheinhessen wollte er zufrieden fein. Preußen sollte dafür Belgien nehmen 
und feine Herrschaft auch über Süddeutschland ausdehnen. Für solche Ab¬ 
machungen hat man den verständlichen Ausdruck „Länderschacher". Aber 
König Wilhelm und sein Minister Bismarck mochten davon nichts wissen 
und erklärten: „Kein Fuß breit deutschen Landes wird abgetreten!" 
Die Franzosen nennen sich stolz „die große Nation." Diese samt 
ihrem Kaiser fühlten sich durch diese Antwort beleidigt. Von nun an hieß 
bei ihnen die Losung: „Rache für Sadowa!" Einen Vorwand zum 
Kriege fand man bald. 
Im Jahre 1868 hatten die Spanier ihre Königin Jsabella aus 
dem Lande gejagt und wählten dann zu ihrem Nachfolger den Erbprinzen 
Leopold von Hohenzollern, einen nahen Verwandten des preußischen 
Königshauses. Da erklärte Frankreich, es könne nicht dulden, daß Preußen 
einen seiner Prinzen auf den spanischen Thron setze und seine Macht unge¬ 
bührlich vergrößere. Zugleich verlangte Napoleon, König Wilhelm solle 
dem Prinzen verbieten, die spanische Krone anzunehmen. König Wilhelm 
erwiderte, er habe keinen Grund, sich in diese Sache einzumischen; er müsse 
dem Prinzen überlassen, was er thun wolle. Der Krieg schien nun unver¬ 
meidlich, da verzichtete der Prinz aus eigener Entschließung auf das gefähr¬ 
liche Geschenk, das man ihm zugedacht hatte. Damit war jeder Gruud 
zur Einmischung verschwunden. Aber so schnell mochten sich die Franzosen 
die Gelegenheit nicht entschlüpfen lassen, sie wollten durchaus den Krieg. 
Im Sommer 1870 gebrauchte König Wilhelm seiner Gesundheit hal¬ 
ber die Mineralquellen von Ems. Am 13. Juli befand er sich eben auf 
einem Spaziergange durch die Gartenanlagen; da gesellte sich der sranzö- 
siche Botschafter Benedetti zu ihm. Er verlangte im Namen Napoleons, 
daß König Wilhelm das Versprechen geben solle, daß nie ein hohenzoller- 
scher Prinz die Wahl zum Könige von Spanien annehmen werde. Der 
König fertigte ihn ruhig und mit Würde ab und verwies ihn im übrigen 
an seinen Minister. Kaum ist aber der König von seinem Spaziergange 
zurückgekehrt, so bittet bei ihm der französische Botschafter um eine aber¬ 
malige Unterredung. Der König hat nicht Lust, abermals die unverschämten 
Zumutungen des französischen Unterhändlers anzuhören und befiehlt seinem 
Adjutanten: „Sagen Sie dem Grasen, daß ich ihm nichts weiter mitzu¬ 
teilen habe." Benedetti verschwindet, telegraphiert Napoleon, er und Frank- 
i) Vergl. S. 28, Zeile 26.
	        
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