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ein gedrücktes, furchtsames Wesen. Die Vornehmen aber äfften den
Spaniern, Italienern und Franzosen in Kleidung, Sitten und Sprache
nach, so daß das Bewußtsein, Teutsche zu sein, säst bei allen verloren ging.
3. Staatliche Einbuße, a) Frankreich erhielt die Landgrasschast •
Elsaß, die Herrschaft über 10 Reichsstädte am Oberrhein, den Sundgau
und die Anerkennung der Oberhoheit über Metz, Toul und Verdun.
Schweden erhielt Vorpommern nebst Rügen, Wismar und 15 Millionen
Mark Kriegsentschädigung. Beide Mächte hatten über den westfälischen
Frieden zu wachen und bekamen dadurch Gelegenheit, sich in die deutschen
Angelegenheiten zu mischen. Tie Schweiz und die Niederlande, die früher
Teile vou Deutschland gewesen waren, wurden jetzt als selbständige
Staaten anerkannt. So ging ein großer Teil des deutschen Gebietes verloren.
b) Die deutschen Fürsten erhielten in ihren Staaten die Bestimmung
über Rechtspflege, Polizei, Besteuerung, Kriegsordnung; sie dursten mit
einander und mit fremden Fürsten Bündnisse schließen, nur sollten diese
nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet sein. So war das deutsche Reich
nicht mehr ein einheitlicher, von einem Herrscher regierter Staat, sondern
nur noch eine lose zusammenhängende Masse von Einzelstaaten.
4, Bürger und Bauern nach dem Kriege, a) Allmählich be¬
gannen Handwerk und Handel in den Städten sich wieder zu heben.
Der Bürger arbeitete vom frühen Morgen bis zum späten Abend, oft
um geringen Lohn; das Leben war sehr einfach und hart. Der Adel,
die Beamten, die Kaufleute fouderteu sich vom Handwerker ab, wie dieser
vom Bauer; der Vornehme trug andere Kleidung und Haartracht als
der Bürger, uud dieser wieder andere als der Bauer. Jeder Höher¬
stehende sah hochmütig aus den anderen herab. Der Bürger kümmerte
sich wenig um die Verwaltung und Verteidigung der Stadt, sondern
überließ sie den Beamten des Landesherrn.
b) Tie Landleute, welche den Krieg überlebt hatten, kehrten in die
verlassenen Hütten nnd zu deu wüstliegenden Äckern zurück. Die meisten
Fürsten erleichterten den abgedankten Soldaten die Ansiedlung, indem sie
ihnen das Land billig oder umsonst gabeu, Freiheit von Abgaben ge¬
währten it. s. w. (Vergleiche die Thätigkeit des großen Kurfürsten in
Brandenburg; Hübner, Handbuch der brandenburgisch-prenßischen Ge¬
schichte, Seite 139.) Aber die adligen Grundbesitzer legten bald den
Bauern die schwersten Lasten auf: die Zahl der Froutage wurde so
vermehrt, daß den: Bauer kaum 1 oder 2 Tage in der Woche zur
Bestellung seiner Felder blieben, die Abgaben an Getreide, Vieh
und Geld stiegen immer höher; das Wild verwüstete die Äcker der
Bauern; ost genug zwang der Grundherr den Bauern, ihm sein Grund¬
stück zu verkaufen, worauf der Bauer mit feiner Familie dem Elende
verfiel. Der Gutsherr und seine Beamten zwangen den Bauer durch
Prügel zur Arbeit; dagegen suchten viele Bauern durch Trägheit beim
Arbeiten, durch Diebstahl an Feldfrüchten n. dgl. sich zu rächen. Durch
wohlmeinende und staatskluge Fürsten, wie Friedrich den Großen, Kaiser
Joseph II. wurde die Lage des Landvolkes etwas gebessert, aber erst in
unserm Jahrhundert endeten die Bedrückungen, die nach dem Dreißig¬
jährigen Kriege begonnen hatten.