Full text: Deutsche Stammesgeschichte, deutsche Kaisergeschichte (Band 1)

III. Deutsches Leben zur Zeit d. frönt u. stauf. Kaiser. 2. Rittertum. 499 
gleich das Eigene, daß sie ihres geistlichen Charakters wegen ihre Autorität 
für etwas unbedingt Notwendiges, Heiliges, mit der Idee Zusammenfallendes 
erklärte. Es ward eine Theorie der Kirche gepredigt, nach welcher diese 
Gewalt als die notwendige Darstellung des Göttlichen auf Erden erschien: 
der Papst als der Statthalter Christi, als die Einheit des christlichen Lebens 
auf Erden, von der alles andere so natürlich geleitet wird wie das Fleisch 
von dem Geist; der Klerus durch das Sakrament der Weihe über die übrigen 
Menschen zu einem Orden erhoben, der zwischen Menschheit und Gottheit 
vermittelt. Die in dem Klerus versammelte Kirche ist unfehlbar; sie ist die 
lebendige Inkarnation des ewigen Wortes. So vollzieht sie auch mystisch 
das Opfer der Versöhnung jeden Augenblick durch ein Wunder. 
2. Entstehung und Mütezeit des Mttertums; Urtier- 
erziehung und Schwertteite. 
Gustav Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit. 2. Band. 8. Aufl. Leipzig 1875. 
Die Zeiten der Kreuzzüge und des Kampfes zwischen Papst- und Kaiser¬ 
tum waren zugleich diejenigen der Entwicklung und Ausbildung des soge¬ 
nannten ritterlichen Geistes, welche in der Schwärmerei für Religion, für 
Frauenliebe und für kriegerische Thaten ihre höchste Befriedigung suchte 
und fand. 
Der Name Ritter besagt, wie das Wort ursprünglich, nichts anderes als 
einen Reiter, insbesondere jemand, der zu Pferd in den Krieg zieht. Die 
Kriegsführung zu Pferde erscheint aber schon in den frühesten Zeiten der 
Völker germanischen und keltischen Stammes als eine Vorliebe und gewisser¬ 
maßen als das Vorrecht des Adels. Die Edeln der Gallier hießen deshalb 
insgesamt Ritter, und bei den Germanen bestand das oft hochadlige Gefolge 
jener Fürsten, die ganz nur dem Kriege und von dem Kriege lebten, lediglich 
aus Reitern, während der gemeine Mann nur zu Fuß ins Feld rückte. Die¬ 
selbe Mischung der Heere mit derselben Standesunterscheidung finden wir 
in dem Reiche Karls des Großen wieder; wenn da der Heerbann, d. h. ein 
Aufgebot des ganzen Volks, erging, stellten sich nur diejenigen beritten und 
mit berittenem Gefolge ein, die einen größeren Grundsitz inne hatten, die 
eben die Vornehmen waren, und diese waren dann auch stattlicher mit 
Schutz- und Trutzwaffen ausgerüstet; die Ärmeren dagegen, die Mehrzahl 
also, kamen nur als Fußgänger und deshalb auch mit geringerer Bewaffnung. 
Das änderte sich jedoch allmählich in den Staaten, in welche bald nach Karl 
das Karlingerreich zerfiel, in Deutschland schon mit Arnulf, noch entschiedener 
mit Heinrich I., jenem großen Könige, der so siegreich die Ungarn zurück¬ 
geschlagen hat. Die Ungarn waren damals, wie eigentlich noch heute ihre 
Nachkommen, durchaus ein Reitervolk. Heinrich mußte, um ihnen mit Erfolg 
zu widerstehen, ihnen gleichfalls vornehmlich Reiterei entgegenstellen. Von 
da an wurden für lange Zeiten alle Reichskriege der Deutschen und ebenso 
alle Kriege der französischen Könige fast nur mit Reiterei geführt, und man 
konnte sich bald so wenig mehr eine andere Kriegführung denken, daß man 
das ganze Mittelalter hindurch die Ritter auf lateinisch mit einem Worte 
benannt hat, welches eigentlich jeden Krieger bezeichnet, mit dem Worte
	        
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