Vierter Abschn. Von Deutschlands Befreiung b. z. Wiederherstellung des Reiches. 271
Herrschaft auf dem Gebiete der Mode und des Geschmacks in Kleidung
und Hausrat. Trotzdem gelang es der nimmer rastenden Tatkraft unseres
Bürgertums, den fremden Wettbewerb im eigenen Lande allmählich zurück¬
zudrängen und auf dem Weltmärkte erfolgreich mit ihm in die Schranken
zu treten. Eine wichtige Stütze bot dabei der Zollverein. Bald er¬
hoben sich auch auf deutschem Boden, vor allem in den kohlenreichen Gegenden
(Rheinprovinz, Westfalen, Schlesien, Königreich Sachsen), ausgedehnte
Fabrikanlagen mit hochragenden Schloten. 5Doch' die volle Wirkung
der neuen Erfindungen trat erst unter Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I.
zu Tage.
Handel und Verkehr litten in Deutschland noch lange unter dem
Mangel an guten Wegen, der Buntscheckigkeit und Schwerfälligkeit des Post¬
wesens und der Vielheit der Münzen, Maße und Gewichte. Aber auf
fast allen diesen Gebieten ist doch ein erfreulicher Fortschritt wahrzunehmen.
In Preußen verwandte die Regierung viele Millionen Taler auf den Bau
von Kunststraßen. Der Flußverkehr hob sich bedeutend durch die Ein¬
führung der Dampfschiffahrt. — Das Postwesen erfuhr manche
Verbesserungen. Aber die Verwaltung war zu sehr zersplittert. Von Öster¬
reich abgesehen, gab es im Deutschen Bunde nicht weniger als 17 Post-
Verwaltungen. Dazu kam das hohe Porto, welches mit der Ent¬
fernung stieg. — Im Münzwesen wurde für den Zollverein wenigstens
die Einheit angebahnt. Als gemeinsames Gewicht fand das „Zollpfund"
Eingang. In den Längen-, Flächen- und Hohlmaßen dagegen blieb die
bunteste Mannigfaltigkeit bestehen.
Wie der Binnenverkehr, so nahm auch der auswärtige, namentlich der
überseeische Handel Deutschlands einen größeren Umfang an. Seine
Hauptträger waren die alten Hansestädte Bremen und Hamburg, die
dem Zollverein fern blieben. Bremen knüpfte vor allem mit Nordamerika
enge Beziehungen an und zog den Tabakhandel fast ganz an sich. Ham¬
burg schwang sich zu einer der ersten Seestädte der Welt auf. Es ver¬
mittelte namentlich den Verkehr mit England und den mittel- und süd¬
amerikanischen Ländern. Gegenüber den beiden Nordseeplätzen traten die
Ostseehäfen Lübeck, Stettin, Danzig und Königsberg in den Hintergrund.
Als nächste Folgen des wirtschaftlichen Aufschwungs erscheinen die
Zunahme des allgemeinen Wohlstandes und das rasche An¬
wachsen der Bevölkerung, namentlich in den Hauptsitzen der In¬
dustrie und des Handels. Die ganze Lebenshaltung des deutschen Volkes
verfeinerte sich, und die altvaterische Einfachheit der Sitten ging allmählich
verloren. In Bezug auf Nahrung und Kleidung begann eine Annäherung
der Stände; dagegen erweiterte sich die Kluft zwischen arm und reich,