19
manche liebe Stunde mit ihm gesungen-, erzählt der kurfürstliche Kapell¬
meister, „und oftmals gesehen, wie der teuere Mann vom Singen so lustig
und fröhlich im Geiste ward, daß er des Singens schier nicht konnte müde
noch satt werden, wurde er wieder einmal traurig, so sagte er: ,Bus
Teufel! Ich muß jetzt meinem Herrn Christo singen und spielen? Er
greift frisch in die Klaves, bis die Gedanken vergehen." „Der Doktor",
sagt Erasmus Blber, „hatte eine feine, helle, reine Stimme, beides zu
singen und zu reden; war nicht ein großer Schreier." — Der Kreis,
der sich täglich um Käthes Tisch versammelte, war zeitweise ein recht
großer. Bußer den Hauslehrern brauchte Doktor Martinus einen Famulus.
Dazu kam die kinderhütende Muhme Lena, eine Schar von Kostgängern
beiderlei Geschlechts und ständige Besuche. Zu der eigenen Kinderschar
hatte Luther auch noch die fünf Waisen seiner Schwester Kaufmann an¬
genommen, die bis zu ihrer Ausbildung im Hause blieben und manche
Not machten. Selbst die aus Berlin vertriebene Kurfürstin von Branden¬
burg wohnte in späteren Jahren, als sie schwachsinnig wurde, in Luthers
Haus, das viel Plage von dieser vornehmen Einquartierung hatte, zu¬
mal wenn dann auch ihre Tochter, die Fürstin von Bnhalt, durchs Haus
rauschte, deren Busdringlichkeit Luther gelegentlich recht unhöflich abwies.
Buch eine aus dem Kloster entwichene verwandte des Herzogs Georg
wurde zu dessen großem Verdruß Mitbewohnerin des Schwarzen Klosters.
Ts war die Herzogin Ursula von Münsterberg, die ihr Freiberger Stift
1528 verließ und Zuflucht bei dem Lutherschen Ehepaar suchte. Trotz
dieser Überfüllung des Hauses war die unermüdliche Käthe bereit, auch
ihre Schwiegereltern bei sich aufzunehmen, als bei dem alten Hans die
Gebrechen des Blters sich meldeten. Der Vater ging darauf nicht ein,
aber auch ohne diesen Zuwachs war das Problem, eine solche Haus¬
haltung durchzuschleppen, für Käthe um so schwieriger, als Luthers Grund¬
sätze über Geldnehmen aus jedermanns Beifall mehr zu rechnen hatten
als auf den seiner Hausfrau. Ls war gegen sein Gewissen, von den
Studenten Kolleggeld und von den Buchhändlern Honorar zu nehmen,
und er konnte nie viel Geld in seiner Schublade sehen, solange andere
Leute darbten. Dabei bestand aber sein ganzer Öffentlicher Gehalt als
Professor aus zweihundert Gulden. Im zweiten Jahre seiner Ehe hatte,
er über hundert Gulden Schulden und wurde doch nach wie vor von
Flüchtlingen, Beisenden, Mönchen und Nonnen als ihr natürlicher Patron
in Anspruch genommen und gebrandschatzt. Einen guten Wirt konnte sich
Luther selbst nicht nennen. „Unser Herrgott muß der Narren Vormund
sein," tröstet er sich bei solchen Gelegenheiten. Der Doktor verkauft oft
den letzten Ehrenbecher, um recht zweifelhaften Leuten zu Helsen, und
tröstet sie: „Gott wird andere geben." Mit allen Tischgängern hat Käthe
2*