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satz der Bildung überhaupt, d. H. genauer der Bildung der ersten sozialen
Schicht seiner Zeit, der königlichen Familie, der Grafen, Grundherren und
oberen Geistlichen. Am Hose hatte König Pippin eine Hofschule ein¬
gerichtet und diese unter die Aufsicht der Königin gestellt. Karl belebte
sie neu, stellte sie unter Alkuins Leitung und überwachte sie selbst; ja, er
nahm auch wohl am Unterrichte mit teil und verteilte Lohn und Strafe.
Die Hofschule galt ihm als Pflanzschule; bald entstanden neue Schulen
in den großen Klöstern, die Klosterschulen zu Tours, Metz, Köln,
Fulda (berühmt durch Rabanus Maurus, Abt von 852—847), St. Gallen
und Salzburg.
Lektüre der vortrefflichen Schilderungen des Lebens in der Klosterschule
von Gustav Freytag, Das Nest der Zaunkönige Kap. 2 u. 3; Viktor v.
Scheffel, Ekkehard.
Die Hauptaufgabe der Klosterschulen war die Heranbildung des geist¬
lichen Nachwuchses. Und da die Kirchensprache Lateinisch war, mußte Latein
das erste und wichtigste Unterrichtsfach sein. Lateinisch lesen und schreiben,
wenigstens so viel, als zum Verständnis der Kirchensprache nötig war, das
mindestens mußte auch von jedem gewöhnlichen Geistlichen verlangt
werden. Daß strebsame, begabte Geister weit darüber hinausgingen, ist
selbstverständlich. Freilich, manchem Mönch ward auch das Einfache schwer.
So klagte ein St. Galler Mönch über das Schreiben: „Wer es nicht kann,
hält es für keine Arbeit, und doch müssen drei Finger schreiben und der
ganze Körper sich abmühen." Die Klosterschule war etwas aus der Fremde
Übernommenes; und daher kam durch sie auch eine Reihe von Lehnwörtern
in unsere Sprache. Zunächst der Name der Anstalt, lat. scöla, ahd.
scuola, mhd. schuole, nhd. Schule, und davon der Name der Lernenden
ahd. scuolari, mhd. schuolaere, nhd. Schüler. Die Schriftzeichen
behielten den alten Namen buochstap (I § 22, 1), ebenso das Ver¬
stehen = lesen, aber das Herstellen der Buchstaben erhielt den neuen
Namen ahd. s erib an (mhd. sekriben, nhd. schreiben — davon auch
ahd. s crift, nhd. Schrift) aus lat. scribere, weil das Material und
das Verfahren ein anderes war. Man schrieb auf das Pergament und
die Tafel, lat. tabula, mit Hilfe des Griffels, ahd. griffil
(aus griech.-lat. graphiolum im Anschluß an ahd. grifen, rthb
greifen gebildet) und einer Flüssigkeit, der Tinte, mhd. tinte, tinkte,
ahd. t i n c t a aus lat. t i n c t a, d. h. Buntes, Gefärbtes. Viele müh¬
same Arbeit verwandten die Mönche auf die Abschrift der Worte der großen
Männer der alten Zeit, ebensoviele aber auch auf die Herstellung der Ur¬
kunden des Klosters, durch die diesem Besitz und Rechte übertragen wurden.
Lat. brevis und breve hieß solch ein Schriftstück; daraus ward ahd.
b r i af, mhd. brief, nhd. Brief. Noch erinnern die Wörter Kauf¬
brief und Verb riefen an die älteste Bedeutung des Wortes.