Full text: Völkerwanderung und Frankenreich (Teil 2)

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neuem. (Sin Neffe des Kaisers, König Pippins Sohn Bernhard (f 818), 
stritt um sein Erbrecht. Kaiser Ludwig hatte drei Söhne: Lothar, Ludwig 
und Pippin. Man bedachte die Gefahren der Reichsteilung: die Kämpfe 
unzufriedener Erben gegen die Miterben, die Zersplitterung des Ganzen 
in Teile: je mehr Erben, desto mehr Teile; eine Teilung der Teile in 
zweiter und dritter Generation usw.; kleines Land, kleines Volk, kleine 
Macht; wie fei ein Kaisertum denkbar ohne Weltmacht über Länder und 
Völker? die Kirche sei eine, wie könne sie ein Kaiser schützen, der nur 
über einen Teil der Länder gebiete, die sie umfaffe? 
817 hatte Kaiser Ludwig eine Reichsverfammlnng nach Aachen ein¬ 
berufen. Da ersuchten die Großen den Kaiser, noch bei andauernder Ge¬ 
sundheit und obwaltendem Frieden über die allgemeine Lage der Dinge 
und das Verhältnis der Söhne Bestimmungen zu treffen, da nicht feinen 
Söhnen zuliebe die Einheit des Reiches durch eine Teilung zerrissen 
werden dürfe, und „damit nicht etwa dadurch ein Ärgernis in der Kirche 
entstehe und sie nicht den (Gott), in dessen Hand die Rechte aller Reiche 
liegen, beleidigten". Und diesen leitenden Gedanken gemäß erfolgte der 
Beschluß. Lothar empfing den Kaiser titel und Italien, Ludwig den Königs¬ 
titel, Bayern und Kärnten nebst der slawisch-avarischen Mark, Pippin den 
Königstitel, Aquitanien mit dem Baskenland, die Mark Toulouse und vier 
angrenzende Grafschaften in Septimanien und Burgund. Mit großem 
Nachdruck ward bestimmt, daß Ludwig und Pippin ihrem Bruder Lothar, 
dem Kaiser, untergeordnet seien: z. B. sie sollten jährlich vor ihm er¬ 
scheinen und ihm als ihrem Oberherrn Geschenke darbringen, nicht Krieg 
führen oder Frieden schließen ohne seinen Rat unb feine Zustimmung, ohne 
Vorwiffen des älteren Bruders auswärtigen Gesandtschaften keinen Bescheid 
geben; selbständig sollten sie nur die Grafen, Bischöfe und Äbte einsetzen 
dürfen. Es war eine Teilung ber Macht hinsichtlich der äußern unb 
innern Angelegenheiten. Der Kaiser stellte bie Einheit bes Reiches bar, 
nach außen in feinen Beziehungen zu anbem Völkern, nach innen in ber 
Obergewalt über bie Teilkönige. 
Ranke VI, 1, 25. „Das Grundgesetz von 817 war ein Versuch, die 
beiden Prinzipien, auf denen das Reich beruhte, das der Einheit und 
das des Erbrechtes, zu vereinigen. Das Erbrecht entspricht dem alten Her¬ 
kommen, wie es bei dem Tode des Königs Pippin festgehalten worden, das 
Reich dagegen einer politischen Idee, die seitdem emporgekommen war und den 
Inbegriff aller Gewalt bildete. In dem damaligen, Augenblick überwog die 
Idee der Einheit." 
Der fränkische Staal zur Zeit Karls des Groszen. 
Wir versuchen, wie in I § 15, bie Grundzüge des fränkischen Staates 
in einem Schema darzustellen. Wie im altdeutschen Staat, so galten noch 
jetzt zwei Prinzipien der Staatsbildung, das Volk und das Gebiet; neu war
	        
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