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möglich geworden, daß die Synode sich nicht an die kanonische For¬
derung des Zölibates hielt. Sollte nun die neue Entwickelung von
der Gesamtkirche anerkannt oder sollte das kanonische Recht auf¬
recht erhalten werden, das Nene oder das Alte, Gewähren oder
Reform?
König Heinrich III. war entschiedener Gegner der Priesterehe
und der Simonie; durch ihn und den von ihm ernannten Papst
Leo IX. ward die Reform der Kirche kräftig gefördert. Und was
ebenso bedeutend war: durch die Reformarbeit Leos IX. ward das
Papsttum, lange Jahrzehnte nur ein Schatten der Macht und des
Ansehens, wieder eine greifbare Größe mit dem Anspruch, daß sie
beachtet und daß nach ihr gehandelt werde.
§ 45. Heinrich IV. und Gregor VII.
(Zu den §§44und45: Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit II und III. —
Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands III. — Lamprecht, Deutsche Geschichte II.—
Müller, Kirchengeschichte I, eingehende Literaturnachweise in den §§ 125—130. —
Nitzsch, Geschichte des deutschen Volkes II. — Ranke, Weltgeschichte VII.)
1. Regentschaft. Ein Knabe war König, Regenten mußten für
ihn das Reich verwalten. Die Regentschaft führte zuerst, bis 1062,
Heinrichs Mutter, Agnes, dann Erzbischof Anno von Köln,
dann mit diesem zusammen Erzbischof Adalbert von Bremen,
dann letzterer allein. 1065 ward der König wehrhaft gemacht und
damit selbständiger Regierung für fähig erklärt. Er war ein Knabe,
oder ein Jüngling, ein König noch nicht.
Und wie sehr hätte das Reich der straffen, festen Hand eines
erfahrenen Mannes bedurft! Denn während der Regentschaft sank
Macht und Ansehen des Königtums schnell dahin. Die Kaiserin
Agnev gab zu, baß sich das Papsttum vom Kaiserhaus freimachte
(f. S. 103f.). Mit Bayern belehnte sie den Sachsen Otto von
Nord heim, mit Schwaben Rudolf von Rheinfelden, mit
Kärnten Berthold von Zähringen, drei Männer, von denen
keiner dem falischen Haufe ergeben war, denen es vor allem zuzu¬
schreiben ist, daß später ein verhängnisvoller Zwiespalt zwischen Hein¬
rich und Süddeutschland entstand. Das Reichsgut nahm gewaltig ab.
Anno und Adalbert ließen sich von dem jungen König große Schen¬
kungen aus dem Reichsgut machen; auch andere Bischöfe erhielten
solche. Adalbert empfing die Grafschaft (richterliche Gewalt) nicht nur
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