Full text: Ottonen und Salier (Teil 3)

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Bischof Wilhelm von Utrecht soll erklärt haben: die Lage sei so, daß kein 
Bischof dem Könige seinen Treueid halten könne, wenn er nicht mit Gregor 
breche. Aber wie nun? Die Synode war nur ein Teil des deutschen, 
italienischen und burgundischen Episkopats, also nicht einmal der gesamte 
Episkopat dieser Länder. Konnte dieser Teil den Lenker der ganzen Kirche 
absetzen? Konnten, durften die versammelten Bischöfe den Papst richten? 
Seit Otto I. galt als allgemeine Überzeugung, daß niemand als Gott 
den Papst richten könne (S. 72); darum hatte es ja Heinrich III. 1046 
dem Papste Gregor VI. überlassen, sich selbst zu richten (S. 94). Der 
Gedanke aber, die deutsche Kirche von Rom loszureißen und als eine 
eigene, nationale, als eine Volkskirche unter deutscher Leitung zu ge¬ 
stalten, dieser Gedanke lag der Zeit ganz fern. Die Kirche war ihnen 
nicht denkbar ohne den Papst. 
Was konnte Heinrich gegen Gregor tun? Die Macht 
des Königs ruhte fast noch allein auf der Treue der belehnten Fürsten, 
insbesondere der geistlichen. Um dieser Treue sicher zu sein, hatte Otto I. 
das Kaisertum erstrebt (S. 70). Das Ottonische Privilegium 962 und die Be¬ 
schlüsse der Synode zu Sutri 1046 waren Sicherungen der Macht des Kaisers 
über den Papst und damit des Königs über den Episkopat. Heinrich IV. 
hatte Gregors Wahl 1073 anerkannt, er hatte diesen nun bald drei Jahre 
ungehindert amtieren lassen, also durch Anerkennung und Gewährenlassen 
auf das Recht der Ernennung und Absetzung des Papstes, wie es sein 
Vater 1046 aus der Synode von Sutri geübt (S. 70), verzichtet. Hatte 
er jetzt die Macht, zurückzunehmen, was er und seine Mutter aus den 
Händen gegeben hatten? 
Auf der Synode brach bei den Bischöfen der lange verhaltene 
Ingrimm gegen Gregor machtvoll hervor, und darum ließen sie sich 
von Heinrich leicht bestimmen, dem Papste Unterwürfigkeit und Ge¬ 
horsam aufzukündigen. „Und damit nicht etwa jemand von ihnen 
es nachher ableugnen könne, ließ er jeden mit Voraussetzung seines 
Namens die Absagung gegen Hildebrand auf eine besondere Urkunde 
schreiben, in dieser Weise: Ich N., Bischof der Stadt N., kündige 
betn Hildebrand Unterwürfigkeit und Gehorsam von dieser Stunde 
an und in Zukunft auf und werde ihn von jetzt ab für einen Papst 
weder halten noch so benennen." 
Der König selbst erhob vier Vorwürfe gegen Hildebrand: er 
habe ihn seiner ererbten Würde beraubt, Italien seiner Herrschaft 
zu entfremden gesucht, den deutschen Episkopat geschädigt und ihm 
zuletzt gedroht, ihm das Leben und das Reich zu entreißen. Da¬ 
durch gezwungen, gegen ihn aufzutreten, schließe er sich dem Urteil 
der Bischöfe an, entsetze ihn aller Rechte des Papsttums und gebiete 
ihm kraft seiner patrizischen Gewalt, von dem römischen Stuhl zu 
weichen. 
■\5Vt folgendem Brief teilte Heinrich IV. Gregor seinen Be-- 
schluß mit: 
„Heinrich, nicht durch Gewalt, sondern durch Gottes weise Ver- 
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