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Alexius I., ein hochbegabter und tapferer Mann, der willens war,
die Herrschaft des byzantinischen Reiches fester zu begründen und die
von den Seldschncken eroberten Gebiete zurückzugewinnen.
Aber zunächst hatte er einen andern Feind abzuwehren.
Robert Gniscard faßte den Plan, das byzantinische Reich in
seiner jetzigen bedrohten Lage anzugreifen und wo möglich zu erobern;
aber Alexius trat ihm mutig entgegen und drängte ihn, der schon
bis ins Herz des Reiches vorgedrungen war, bis an die Küste zurück.
Und als 1085 Robert starb, war diese Gefahr abgewendet, denn
Roberts Söhne gaben den Plan auf.
Nun konnte Alexius seine gegen die Seldschncken gerichteten Pläne
aufnehmen.
Aber durch die soeben beendeten Kämpfe war die Kriegskraft
seines Reiches so sehr angestrengt worden, daß er, obwohl auch die
Seldschucken durch innere Streitigkeiten geschwächt waren, nicht hoffen
konnte, allein den Kampf gegen sie erfolgreich durchzuführen.
Auch er sah sich, wie sein Vorgänger Michael, nach Hilfe um,
und dieselben Gründe, die diesen bestimmt hatten, bewogen auch
ihn, diese Hilfe bei dem römischen Papste zu suchen.
V. Der Kreuzzug.
1. Vorbereitung.
Der Papst, Urban II., sah ebenso wie einst Gregor VII. die un¬
geheure Bedeutung des weltgeschichtlichen Unternehmens ein, zu dem
er hier aufgefordert wurde, und bereitwillig sagte er seine Hilfe
und die Hilfe des Abendlandes zu. Er konnte diese Zusage für das
ganze Abendland geben, denn seine Stellung, die Stellung des Papst¬
tums war in diesem Augenblicke tatsächlich eine weltbeherrschende,
wenn auch nicht in dem Sinne Gregors. Er wußte, daß seinem Auf¬
rufe das ganze Abendland folgen würde, und er hatte sich nicht
getäuscht-
Schon in den ersten Tagen des März 1095 hielt er eine Synode
zu Piacenza, zu der sich 4000 Geistliche und 30 000 Laien versammelt
hatten. Hier wurden die Gesandten des Kaisers Alexius angehört, und
der Papst forderte alle Christen zur Unterstützung der Byzantiner gegen
die Seldschucken auf. Viele, von der Aussicht auf Ruhm und Beute
gelockt, versprachen schon hier, zum Kampf gegen die Feinde des
Kreuzes nach Konstantinopel zu ziehen.
Beobachtung. Urban wandelt hier noch ganz in den Bahnen Gregors.
Auch ihm ist hier noch die Hauptsache die Gewinnung von Einfluß in Byzanz
znm Zlveck der Wiederherstellung der Einheit der Kirche, Beugung der grie¬
chischen Kirche unter die Herrschaft Roms.