Full text: Das Mittelalter (Bd. 2)

Walken: Die Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer. 151 
den Ölberg liegt, nach der Kirche des Hl. Grabes und überließ sich der 
Andacht. 
Da legten auch die Kreuzfahrer, nachdem durch ausgestellte Wächter 
die Stadt gegen einen plötzlichen Überfall gesichert war, ihre Waffen ab, 
reinigten sich von dem Blute der erschlagenen Türken und eilten mit 
entblößtem Haupt und entblößten Füßen zu den noch von Blut rauchenden 
hl. Orten. Die Stadt, in welcher kurz vorher nur das wilde Geschrei 
der Sieger und das Jammern der Sterbenden gehört wurde, ertönte 
jetzt von den Lobgesängen zur Ehre Gottes und den Gebeten der zum 
Grabe des Heilandes Wallenden, und die grausamen Krieger, deren Gemüt 
jeder milden Empfindung noch eben verschlossen war, beugten jetzt demütig 
ihre Kniee und vergossen Thränen der Andacht an den Orten, wo das 
noch warm fließende Blut an ihre Grausamkeiten erinnerte. Viele, die 
mit gieriger Habsucht geraubt, opferten jetzt mit großer Freigebigkeit ihren 
Raub dem Herrn oder brachten ihn als Almosen den Alten, den Armen und 
Kranken. Andere bekannten laut ihre Sünden und gelobten Beffernng. 
Wo sah man je eine so schnelle Umwandlung! 
An der Thüre der Kirche des hl. Grabes standen die Christen von 
Jerusalem mit ihren Geistlichen, außer dem Patriarchen, der vor dem 
Anfange der Belagerung nach Cypern gereist war, um Almosen zu sammeln, 
und der von hier aus die christlichen Fürsten in den Mühseligkeiten und 
Entbehrungen während der Belagerung der hl. Stadt mit Äpseln vom 
Libanon, köstlichem Wein und gemästeten Pfauen erfreut hatte. Die 
Christen führten die Kreuzfahrer in die Kirche und erhoben mit ihnen 
ihre Stimme, um Gott zu danken für die Befreiung seiner hl. Stadt von 
dem schmählichen Joche der Türken. Die größte Ehre widerfuhr Peter 
dem Einsiedler, welchem die christlichen Priester knieend dankten und nächst 
Gott den meisten Anteil an ihrer Rettung aus den bisherigen Trübsalen 
zuschrieben. 
Peter hatte nun sein Gelübde erfüllt und nahm von dieser Zeit an 
den Unternehmungen der Kreuzfahrer nicht mehr teil. Er kehrte bald nach 
der Eroberung der hl. Stadt in feine Heimat zurück und stiftete zu Huy 
ein Kloster, in welchem er im sechzehnten Jahre nach der Befreiung Jeru¬ 
salems begraben wurde. 
Nachdem so den Forderungen der Rache und den Pflichten der 
Dankbarkeit gegen Gott Genüge geschehen, verteilten sich die Kreuzfahrer 
in die Hanf er und labten sich an dem großen Überflüsse von köstlichen 
Speisen und herrlichem Weine, welchen sie fanden. Die wenigen Un¬ 
gläubigen, welche geschont waren, mußten gefesfelt sogleich beginnen, die 
Leichname ihrer gemordeten Glaubensgenossen aus der Stadt zu bringen, 
und die Kreuzfahrer halfen ihnen dabei für Lohn. 
Diejenigen, welche die Burg Zion noch besetzt hielten, übergaben
	        
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