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abfallend, und das Auge drückte in der Regel die freundliche Reiters eit, auf
ernste Veranlassung aber auch Ernst und Strenge aus. Merkwürdig ist
überhaupt, um sogleich bort dem Ändern auf das Innere überzugehen,
die fast beispiellose Verbindung des höchsten Ernstes, der grössten Strenge
und Folgerechtigkeit mit der natürlichsten Heiterkeit und einem zu Lust
und Scherz aller Art sähigen, überall geistreichen Gemüte. Wenn auch
die bittern Erfahrungen eines langen Lebens allmählich im Alter die
erste Seite sehr hervorhoben, so berschtoand doch nie der Glanz, Melcher
Don der zweiten ausging; und wenn auch die zweite bis an Gefahren
und Abwege führte, so richtete doch die ernste Kraft ihn bald wiederum
in die Höhe, und seine durch ein halbes Jahrhundert ununterbrochen rast¬
lose Regierungsthätigkeit widerlegt am besten die Anschuldigung, als sei
der Kaiser oft den Lüsten ergeben gewesen. Selbst feine größten Feinde
können ihm ihr Lob nicht versagen, sondern gestehen: er war ein kühner,
tapferer, edelgesinnter Mann, von den größten natürlichen Anlagen, frei¬
gebig, aber doch nicht verschwenderisch, voller Kenntnisse; er verstand
die griechische, lateinische, italienische, deutsche, französische und arabische
Sprache. Er gab nicht bloß die Gesetze, sondern ließ auch genau unter¬
suchen, ob sie gehalten wurden, und strafte die untauglichen Beamten so
streng, daß sie von Unbilden möglichst abgeschreckt wurden.
Was den dem Kaiser gemachten Vorwurf der Irreligiosität angeht,
so genüge die Bemerkung, daß in dieser Beziehung widersprechende Nach¬
richten über Friedrich auf uns gekommen sind. Er scheint allerdings
einzelne kirchliche Formen verworfen, aber keineswegs dem Judentum oder
dem Mohammedanismus näher gestanden zu haben, als dem Christentum,
oder gar in einen geistlos gleichgültigen Unglauben hineingeraten zu sein.
Übrigens steht fest, daß er Totenmessen für feine Vorfahren halten ließ,
den Klöstern und Kirchen Schenkungen machte und überhaupt unter dem
Vorbehalt, daß man dem Kaiser gebe, was des Kaisers ist, die christliche
Kirche für höchst wichtig unb schlechthin unentbehrlich hielt. Andrerseits
unterliegt es keinem Zweifel, baß er nach bamaliger Sitte Sternbeuter
hielt, auch befragte. Ihren Ausspruch fürchtenb, baß er unter Blumen
sterben werde, hat er Florenz nicht betreten, und wie es wohl zu gehen
pflegt, scheint Spott über solche Weissagungen und eine dunkle, Vorsicht
erzeugende Besorgnis zugleich obgewaltet zu haben. Im Jahre 1227 gab
ihm fein Sterndeuter wahrscheinlich auf Veranlassung spöttischer Zweifel
in Vincenza einen versiegelten Zettel, worin stand, zn welchem Thore er
hinausgehen werde. Friedrich ließ, damit dieser Ausspruch zu schänden
werde, ein Loch in die Mauer brechen und ging hindurch; aber siehe, im
Zettel hieß es: der Kaiser wird durch ein neues Thor hinausgehen. Ob
bereits ein anderes Thor das neue hieß, ob der Kaiser Kenntnis, Zufall
oder Betrug darin sah, ist schwer zu entscheiben. Überhaupt erhielt an