Metadata: Das Mittelalter (Bd. 2)

172 Mittelalter. 
abfallend, und das Auge drückte in der Regel die freundliche Reiters eit, auf 
ernste Veranlassung aber auch Ernst und Strenge aus. Merkwürdig ist 
überhaupt, um sogleich bort dem Ändern auf das Innere überzugehen, 
die fast beispiellose Verbindung des höchsten Ernstes, der grössten Strenge 
und Folgerechtigkeit mit der natürlichsten Heiterkeit und einem zu Lust 
und Scherz aller Art sähigen, überall geistreichen Gemüte. Wenn auch 
die bittern Erfahrungen eines langen Lebens allmählich im Alter die 
erste Seite sehr hervorhoben, so berschtoand doch nie der Glanz, Melcher 
Don der zweiten ausging; und wenn auch die zweite bis an Gefahren 
und Abwege führte, so richtete doch die ernste Kraft ihn bald wiederum 
in die Höhe, und seine durch ein halbes Jahrhundert ununterbrochen rast¬ 
lose Regierungsthätigkeit widerlegt am besten die Anschuldigung, als sei 
der Kaiser oft den Lüsten ergeben gewesen. Selbst feine größten Feinde 
können ihm ihr Lob nicht versagen, sondern gestehen: er war ein kühner, 
tapferer, edelgesinnter Mann, von den größten natürlichen Anlagen, frei¬ 
gebig, aber doch nicht verschwenderisch, voller Kenntnisse; er verstand 
die griechische, lateinische, italienische, deutsche, französische und arabische 
Sprache. Er gab nicht bloß die Gesetze, sondern ließ auch genau unter¬ 
suchen, ob sie gehalten wurden, und strafte die untauglichen Beamten so 
streng, daß sie von Unbilden möglichst abgeschreckt wurden. 
Was den dem Kaiser gemachten Vorwurf der Irreligiosität angeht, 
so genüge die Bemerkung, daß in dieser Beziehung widersprechende Nach¬ 
richten über Friedrich auf uns gekommen sind. Er scheint allerdings 
einzelne kirchliche Formen verworfen, aber keineswegs dem Judentum oder 
dem Mohammedanismus näher gestanden zu haben, als dem Christentum, 
oder gar in einen geistlos gleichgültigen Unglauben hineingeraten zu sein. 
Übrigens steht fest, daß er Totenmessen für feine Vorfahren halten ließ, 
den Klöstern und Kirchen Schenkungen machte und überhaupt unter dem 
Vorbehalt, daß man dem Kaiser gebe, was des Kaisers ist, die christliche 
Kirche für höchst wichtig unb schlechthin unentbehrlich hielt. Andrerseits 
unterliegt es keinem Zweifel, baß er nach bamaliger Sitte Sternbeuter 
hielt, auch befragte. Ihren Ausspruch fürchtenb, baß er unter Blumen 
sterben werde, hat er Florenz nicht betreten, und wie es wohl zu gehen 
pflegt, scheint Spott über solche Weissagungen und eine dunkle, Vorsicht 
erzeugende Besorgnis zugleich obgewaltet zu haben. Im Jahre 1227 gab 
ihm fein Sterndeuter wahrscheinlich auf Veranlassung spöttischer Zweifel 
in Vincenza einen versiegelten Zettel, worin stand, zn welchem Thore er 
hinausgehen werde. Friedrich ließ, damit dieser Ausspruch zu schänden 
werde, ein Loch in die Mauer brechen und ging hindurch; aber siehe, im 
Zettel hieß es: der Kaiser wird durch ein neues Thor hinausgehen. Ob 
bereits ein anderes Thor das neue hieß, ob der Kaiser Kenntnis, Zufall 
oder Betrug darin sah, ist schwer zu entscheiben. Überhaupt erhielt an
	        
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