Müller: Karl der Große.
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VII.
itttrl der Große 768—814.
Außere Geschichte seiner Negierung.
(D. Müller.)
Nach Pippins Tode,.768 folgten in dem bereits befestigten neuen
Königtums seine beiden Söhne, Karl und Karlmann, unter die der Vater
das Reich geteilt: Karl hatte die nördliche Hälfte ürne, Karlmann die
südliche. Neben der gewaltigen Persönlichkeit des ersteren tritt jedoch
Karlmann, der auch schon nach drei Jahren starb, völlig zurück. —
Schon Pippin hatte die ganze Macht des Reiches streng in seiner Hand
zusammengefaßt. Nur Aquitanien, Bretagne und Bayern standen noch
unter ihren Volksherzögen, alle übrigen Teile des Reiches wurden durch
Grafen verwaltet. Und in Aquitanien ward Hunald, der letzte Herzog,
769 von Karl gefangen genommen, die Herzogsgewalt beseitigt, die Ver¬
waltung des Landes Grafen übertragen. Es war Karl allein, der hier
die neue Ordnung schuf. Karlmann nahm an dem Kampfe keinen Teil;
er war auch sonst mehr ein Gegner, denn ein Gehilfe Karls, ein Glück,
daß er bald starb. In Karl dem Großen ist der
Begründer der staatlichen Ordnung für die gesamte
Germanenwelt erschienen. Seine Lebensaufgabe,
die ihm von Anfang an feststand, war, alle deut¬
schen Stämme in den einen fränkischen Reichs¬
verband und die eine christliche Kirche zusammen¬
zufassen. Dem besten Teil nach ist sie ihm gelungen,
und so hat er der nachfolgenden Zeit, dem ganzen
Mittelalter, das Gepräge feines Geistes aufgedrückt.
In keinem stellt sich die echt deutsche Art der alten
Zeit so herrlich dar, als in ihm. Als er die Krone Kopf des Reiterstandbildes
erhielt, zählte er erst 26 Jahre, stand also in der im Museum Carnavalet zu
Kraft und Blüte der Jugend. Er war von ge¬
waltiger Körpergröße, eine Heldengestalt, und von nicht minder gewal¬
tiger Körperkraft, fo daß er beim fröhlichen Weidwerk den Kampf mit
dem wilden Auerochsen in den Ardennenwäldern wie ein Spiel aufnahm;
überhaupt von jener Lust an Krieg und Gefahr, wie sie den abenteuern¬
den Königen der Völkerwanderung eigen gewesen; in den gewichtigen
1) Diese Bronzestatue befand sich früher im Dome zu Metz, später im Pariser Stadt¬
haus, unter deffen Trümmern sie nach Sor« Brande von 1P71 wieder aufgefunden wurde.
Seitdem steht sie im Museum Carnavalet. Sie galt bisher als gleichzeitige Porträtdar¬
stellung Karls des Großen. Neuerdings ist sie für eine spätere, aber nach gleichzeitigen
Porträtmalereien geschaffene bildliche Darstellung Karls deS Kahlen erklärt worden.