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Das ist gewiß, wenn wir auf jenes im Eingänge aufgestellte Gleichniß zurück kom¬
men dürfen, daß die Kindheit und das Knabenalter des Volkes vorüber sind, die
Tage, wo man nach dem Mond greift und mit Kaiserthümern und Millionen um
sich herum wirft, wie mit Erbsen und Töpferkügelchen. Das deutsche Volk ist in
sein Jünglingsalter getreten, und die schöne großartige Entwickelung des deutschen
Geistes in dem Zeitalter der Kreuzzüge, im Bürger- wie im Ritterthum, im Wissen
wie vor Allem in der Kunst (Baukunst und Dichtkunst), seine Ergreifung des roman¬
tischen Gedankens von der Eroberung des hochgelobten Landes, wem könnten wir
sie anders, wollen wir im Gleichniß bleiben, wohl vergleichen, als der — ersten
Liebe? Die Deutschen hatten die Nothwcndigkcit erkannt, sich in engeren, aber
festeren Gränzen zu einem eigenen, aus dem größeren, nicht einmal rein gehalte¬
nen germanischen System des Frankcnreiches ausgcschiedenen Ganzen zu vereinigen;
aber noch kleben sic anfangs mißmnthig an einem früher großen, dann abgcschwäch-
ten Fürstengeschlechte. Ihr Bedürfniß geht nach einem neuen; man erinnert sich des
alten Rechts der freien Wahl zur guten Stunde, man bleibt jedoch den, einmal
an die Spitze gestellten Fürstcnhause treu, solange cs sich selbst nicht verläßt;
aber auch das früher nicht Vermiedene, das Bedenkliche des Lehenwcscns und der
Hierarchie geht seinen Gang, und gewiß einer der folgenreichsten Schritte war die
Erblichkeit der kleinen und großen Lehen, zu welchen, als einer durch die Zeit und
noch nicht durch die Buchstaben eingeführten Form, erst später die gesetzliche Bestä¬
tigung der Landeshoheit der großen Vasallen hinzukommt. Daß Deutschland dadurch
ein Land voll Länder, ein Staat voll Staaten, nicht aber ein einiges, großes,
in sich unauflöslich festes und darum nicht jedem bösen Nachbar zugängliches Reich
geworden; daß es aber auch gerade dadurch zu einer überall hin verbreiteten,
gleichmäßigen Bildung und Eultur gelangt, wird der Verlauf der Darstellung
beweisen. Daß aber auch damit der Herrschaft der Willkür und der Faust die
Thüre geöffnet war, und daß man endlich durch festere Neichsgrundsätze den unzu¬
länglichen Formen der Kaiserwahl, den Rechten der Stände zu Hülfe kommen, daß
man durch große Rcichstribunale, Landfrieden, Eintheilung in Kreise einer Auslö¬
sung von innen heraus Vorbeugen mußte, erkannte der Deutsche so gut, als es
der zum Manne reifende Jüngling erkennen muß, daß er sich Gesetze vorschrcibcn,
Beschränkungen gebieten muß, um als taugliches Mitglied in die Gesellschaft des
Staates einzutretcn. Dahin strebten, nur auf andern Wegen, auch die anderen
Staaten Europa's, und, so im Innern befestigt, konnte sich wieder der Blick nach
außen richten und anderen in den. Streben nach einem europäischen Gleichgewicht
begegnen. Aber der Blick des Denkenden und nicht wie in früheren Jahrhunderten
blos Einzelner, sondern größerer Massen aus dem herrlichen Bürgcrstande fiel auch
nicht minder auf sein inneres Leben und seine religiösen Ueberzeugungen, wie auf
seine kirchlichen Verhältnisse. Und der Mann sollte seiner Zeit nicht fehlen, der
den gewonnenen Ueberzeugungen so Vieler endlich seine Zunge lieh.
Es waren eigentlich die Völker (oder, was damals noch Volk hieß, die Man¬
nen und Vasallen) selbst gewesen, die im richtigen Gefühle von einer zu großen
und zu bunt zusammengesetzten Vereinigung von Menschen, die nur ein Karl so zu¬
sammenbringen und Zusammenhalten konnte, eine Ausscheidung oder Theilung mit
Berücksichtigung der Nationalitäten foderten. Es konnte sonst kein Friede werden;
und sie wollten Frieden, um ihres Lebens und ihres Raubes genießen zu können.
Der Rhein trat einmal wieder in großer historischer Bedeutung wie unter den Rö¬
mern, aber nur für kürzere Zeit auf. Wie sollen auch jene Araber, Masken,