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so eifrig, daß weder mein Pochen, noch meine Tritte gehört wurden. Ver—
legen siand ich da und scheute mich, die feierliche Stille zu unterbrechen.
Endlich faßte ich mir ein Herz und stammelte einen Gruß. Einer von den
dreien guckte sich um und schob ein wenig sein schwarzes Käppchen. Es
war ein Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren, mit einer etwas gedrückten
Nase und braunem, schön gekräuseltem Bart. „Was beliebt?“ fragte er
kurz. Ich trug, nachdem ich meinen Namen und Stand genannt, ihm das
Anliegen vor, den Herrn Meister Vischer zu sprechen und seine Gießhütte
zu sehen, insofern ich ihn nicht störte. „Ihr stört mich immer, denn ge—
schäftslos bin ich nie. An meiner Gießhütte ist nichts zu sehen, da keine
Abeit ist. Das Geld ist knapp und die Kunst wenig geschätzt.“ So sagte
der Alte und ich darauf: „Heute fürchte ich Euch noch mehr als sonst zu
stören, da Ihr, wie ich sehe, Zeichenunterricht erteilt.“ Jener lachte, und
ich erkannte meinen Irrtum, da die beiden andern, die so lange über den
Tisch hingebeugt saßen, endlich aufsahen. Der eine von ihnen war nur
wenig jünger, und der andere, mit einem schneeweißen Bart und einer
Glatze, wohl zwölf Jahre älter. „Arbeitet man in Nürnberg noch so spät
und selbst am Heiligentage?“ fragte ich, um ein Gespräch einzuleiten, und
Vischer erzählte, daß es wenigstens seine Sitte wäre und der Meister, die
ich vor mir sähe, sich an den Feiertagen abends im Zeichnen zu üben; denn
welcher Meister über die Lehrjungenjahre hinaus zu sein glaubte, der finge
an zu verlernen. Das junge Volk, er meinte seine Kinder, die könnten keinen
Heiligentag, namentlich nicht das Sebaldusfest, daheim verbringen, und
daher wäre es nötig, daß er das Haus bewachte.
Die Sitteneinfalt, die sich in Vischers Rede kund gab, versöhnte mich
sogleich mit ihm, wie barsch er auch meinen Gruß erwiderte. Er stand auf,
ein kurzer, stämmiger Mann mit einem wahren Herkulesnacken, und drückte
mir die Hand, denn da ich mehrere vorgelegte Fragen ihm beantwortete, so
nahm es ihn für mich ein, daß ich bei meinem kurzen Aufenthalt in Nürnberg
schoͤn so viel gesehen hatte. Mil ungeheuchelter Begeisterung pries ich das
Sebaldusgrab, das ich die Krone der neuen Kunst nannte. Weniger das
gezollte Lob, als manche Bemerkung, die ich darüber hinwarf, schien ihm
Grund, mich vor der gewöhnlichen Art von Reisenden auszuzeichnen. Er
wurde jetzt unruhig, schob unmutig das Käppchen hin und her und brach
dann in Klagen darüber aus, daß er mir nichts vorsetzen könnte, da niemand
zu Hause, und Speisekammer und Keller verschlossen wären. Ich be—
schwichtigte ihn dadurch, daß ich mir eben den Abendimbiß hätte wohl⸗
schmecken lassen, und bat ihn nur, mit den anderen Meistern mich bekannt
machen zu wollen. Der eine von ihnen war der geschickte Sebastian
Lindenast, der Meister des herrlichen Uhrwerks auf der Frauenkirche.
Dieser war ein ernster, stiller Mann mit langem gelben Haar und glattem
Kinn. Ich rühmte sein Werk als unvergleichbar, er aber wies mein Lob
zurück mit den Worten: „Ich habe, werter Herr, nur die kupfernen Figuren
gemacht, nur die Körper vom Kaiser und den Kurfürsten, aber mein Freund
Hans Heuß hat ihnen die Seele gegeben.“ So hieß nämlich der berühmte
Schlossermeister, der Kirchenuhren verfertigte, wie keiner sonst.