fullscreen: Bilder aus Amerika (Bd. 1)

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Allein die verwegenen Burschen lassen sich durch solche Hindernisse keines¬ 
wegs erschrecken. Schon haben sie die Stelle, wo der Sturz beginnt, erreicht; 
ein schmaler Felsenvorsprung gestattet ihnen, neben der unhemmbar dahin- 
rasenden Flut in die Schlncht vorzudringen. Eine Strecke noch folgt man 
dem schmalen, oft kanm erkennbaren Pfade, dann biegen die Knechte in das 
Flußbett ein, dessen Grund hier mit zahllosen Felsblöcken übersät ist, so 
daß der nicht breite, aber beträchtlich tiefe und reißende Fluß in viele hundert 
Arme und Ärmchen geteilt erscheint, deren Oberfläche, mit bleudeud weißem 
Gischt geschmückt, scharf gegeu die granbraunen Felsentrümmer absticht. Die 
Rosse fpringeu mit wunderbarer Sicherheit und Behendigkeit von Block zu 
Block, erklettern hier eine größere Felsenmasse, rutschen dort einen kleinen 
Abhang hinab, waten dann wieder zwischen dem Gestein im Wasser, ohne 
ein einziges Mal unsicher zu werden oder gar zu straucheln. 
Plötzlich wird die Luft von dichtem, kaltem Nebel erfüllt, worin 
äußerst langsam und bedächtig vorgedrungen werden muß. Eudlich ver- 
schwindet die unheimliche Dunstmasse, die Schlucht erweitert sich und liegt 
nach kurzer Zeit hinter uns. Wir befinden uns vor trotzig emporragenden 
Felsen, die droben ans ihrem Nacken mit ewigem Schnee bedeckt sind. Noch 
eine Strecke weiter reiten wir im Flußbette; da verschwindet der vorderste 
Peon plötzlich wie durch Zauberei in der vor uns aufstrebenden Felsen- 
wand, die von dem wilden Gewässer umströmt wird. Das Rätsel löst sich 
indessen einfach genug, denn der Reiter ist in einen Felsenspalt eingeritten; 
dieser ist so eug, daß die hölzernen Steigbügel rechts und links an die 
Steinwände anstoßen. Endlich ist die unheimliche Enge durchritten; wir 
gelangen auf eiue geneigte Fläche, die vorsichtig erklettert werden muß, denn 
ihre felsige Oberfläche ist stark zerrissen. Allein auch hier bewähren die 
Pferde ihre erstaunliche Sicherheit, und nicht minder beim Springen über 
die Spalten des zackigen Felsenkammes, der nun zu überwinden ist. Was 
uns hier sehr unangenehm auffällt, ist die Thatsache, daß die Soune, 
unmittelbar zwischen ewigem Schnee und Eis, geradezu sengend brennt. 
Wieder geht es nun einen steilen, mit Geröll bedeckten Abhang hinunter. 
Nebel wogen in der tiefen Schlucht an der Seite; indem sich die schwanken- 
den Massen im Lnsthanch etwas heben, sehen wir in ein tiefeingeschnittenes, 
kraterähnliches Thal, ans dem jene Dunstmaffeu langsam emporschmeben. 
Jedenfalls haben wir den Krater eines erloschenen Vnlkans vor uns. So 
wird die Reise unter ähnlichen, immer wiederkehrenden Gefahren und Mühen 
fortgesetzt. 
Nun ist die eisige Höhe des Passes erreicht, der aus dem sonnigen 
Chile über den mächtigen Grenzwall der Anden in die weiten, herdenreichen 
Grasebnen Argentiniens, in die Pampas führt. Tief, tief drunten liegt 
das freundliche Küstenland mit seinen: Sonnenglanze, seinen im Grün ver- 
steckten Häusern, seinen gutmütigen, gastfreundlichen Bewohnern. Wie schroff 
klimmt der Felsen hinter dir empor! Wie schneidend fährt der Wind hier, 
3500 Meter über dem Spiegel des Oceans, durch die schneebedeckten Fels- 
höhen, die in furchtbarer Majestät, in grausiger Starrheit auf den frösteln¬
	        
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