29
Reiches war dahin, näher und näher rückten die Barbaren, gleichsam tun
das ausgeartete Volk der Römer zu züchtigen und dem Untergange zuzu¬
führen, ja es schien, als ob wieder die Zeit der tollen Kaiser zurück¬
kehre sollte.
H. 7. Soldatenregierung und Verwirrung des römischen Reichs
im dritten Jahrhunderte. Vom I. 180—270.
Als Commodus den Thron bestieg, schien es, als ob die Zeit des
grausamsten Despotismus und des tollsten Wahnwitzes der früheren schlech¬
ten Kaiser die Oberhand wieder gewinnen sollte. Er hatte einen unsinni¬
gen Hang zu Fechterspielen und Thierhetzen, in welchen er selbst öffentlich
als Mitkämpfer auftrat; denn eine ungewöhnliche Leibesstärke war die ein¬
zige männliche Eigenschaft, wodurch er sich auszeichnete. Von den Mar¬
komannen erkaufte er den Frieden, um in der Hauptstadt schwelgen zu
können. Sein Tod war seines Lebens würdig; er wurde von einer Hetäre
vergiftet, und, weil das Gift nicht wirken wollte, von den Mitverschwore¬
nen erdrosselt. Nach seinem Tode gewann die kaiserliche Leibwache wieder
die Oberhand; jene verkaufte von nun an die Krone an den Meistbieten¬
den, mochte aber dabei keinen Befehl, der ihre Macht beschränkte, weiter
achten. Im dritten Jahrhunderte steigerte sich die Herrschaft der Leiden¬
schaften und die Verwirrung im römischen Reiche fast von Jahr zu Jahr.
Die Soldaten herrschten und riefen nach Belieben Kaiser aus, die sie auch
wieder nach Belieben ermordeten. So gingen die römischen Kaiser in die¬
sem Zeitraume schnell wie Schatten vorüber. Tapfere Krieger waren sie
fast alle, denn Tapferkeit war damals beinahe die einzige Tugend, die noch
Werth hatte, allein die übrigen guten Eigenschaften, die einen Fürsten zum
Wohlthäter seines Volkes machen, waren verschwunden. Wer wollte die
Namen der blutdürstigen, habsüchtigen und durch alle Laster berüchtigten
Imperatoren herzählen, die oft nur wenige Jahre, oft nur einige Monate,
auf dem Throne saßen. Mit dem Brudermörder Car acalla und dem
unsinnigen Verschwender Heliogabalus begann das dritte Jahrhundert,
gerade als die Barbaren im Osten und Westen (dort die Parther, hier die
Deutschen) ungestümer als je aus das römische Reich einstürzten. Zwar
wurde das parthische Volk, der furchtbarste Nömerfeind im Osten, um diese
Zeit durch den Perser Ardschir oder Artaxerxcs dem Namen nach ver¬
nichtet, weil dieser kühne Mann den letzten Partherkönig Ardaban in einem
Aufstande besiegte; allein, was früher die Parther waren, wurden nun die
Perser; denn dieses neupersische Reich erhob sich bald furchtbar unter Ard-
schir's Nachfolger Sapor in Mittel-Asien und bedrohete dort die römischen
Provinzen. Zum Glück kam ums I. 222 ein trefflicher Kaiser, Alexan¬
der Severus, auf den Thron. Dieser Fürst hatte beschlossen, Alles zur
früheren Ordnung zurückzuführen und die Spuren blutiger Tyrannei zu