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3. Da zieht die Andacht wie ein Hauch
durch alle Sinnen leise,
da pocht ans Herz die Liebe auch
in ihrer stillen Weise,
pocht und pocht, bis sich’s erschließt
und die Lippe überflieist
von lautem jubelnden Preise.
4. Und plötzlich lässt die Nachtigall
im Busch ihr Lied erklingen,
in Berg und Thal erwacht der Schall
und will sich aufwärts schwingen,
und der Morgenröte Schein
stimmt in lichter Glut mit ein:
Lasst uns dem Herrn lobsingen! Emanuel Geibcl.
146. Im Juiiius.
Die Lenzgestalt der Natur ist doch wunderschön, wenn der
Dornstrauch blüht und die Erde mit Gras und Blumen pranget!
So ’n heller Dezembertag ist auch wohl schön und dankenswert,
wenn Berg und Thal in Schnee gekleidet sind und uns in der
Morgenstunde der Bart bereift; aber die Lenzgestalt der Natur
ist doch wunderschön! Und der Wald hat Blätter, und der
Vogel singt, und die Saat schiefst Ähren, und dort hängt die
Wolke mit dem Bogen vom Himmel, und der fruchtbare Regen
rauscht herab!
Wach auf, mein Herz, und singe
dem Schöpfer aller Dinge —
’s ist, als ob er vorüberwandle, und die Natur habe sein Kommen
von ferne gefühlt und stehe bescheiden am Wege in ihrem Feier¬
kleide und frohlocke. Matthias Claudius.
147. Sommerlied.
1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud’
in dieser lieben Sommerszeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben!
2. Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide;
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