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Dort liegt sie nun fiebernd im Krankenbett,
Draußen plätschern die Fluten;
Dort spielt ihr Kind, ihr „lütting Jehann,"
Und lallt wie träumend dann und wann:
„Een Boot is noch buten!" —
„So einer war auch Er!"
Liegt ein Dörflein mitten im Walde,
Überdeckt vom Sonnenschein,
Und vor dem letzten Haus an der Halde
Sitzt ein steinalt Mütterlein.
Sie läßt den Faden gleiten
Und Spinnrad Spinnrad sein
Und denkt an die alten Zeiten
Und nickt und schlummert ein.
Heimlich schleicht sich die Mittags¬
stille
Durch das flimmernde grüne Revier.
Alles schläft; selbst Drossel und Grille
Und vorm Pflug der müde Stier.
Da plötzlich kommt es gezogen
Blitzend den Wald entlang
Und vor ihm hergeflogen
Trommel- und Pfeifenklang.
Und in das Lied vom alten Blücher
Jauchzen die Dörfler: „Sie sind da!"
Und die Mädels schwenken die Tücher,
Und die Jungens rufen: „Hurra!"
Gott schütze die goldenen Saaten,
Dazu die weite Welt;
Des Kaisers junge Soldaten
Ziehn wieder ins grüne Feld!
Sieh, schon schwenken sie um die
Halde,
Wo das letzte der Häuschen lacht.
Schon verschwinden die ersten im Walde,
Und das Mütterchen ist erwacht.
Versunken in tiefes Sinnen,
Wird ihr das Herz so schwer,
Und ihre Tränen rinnen:
„So einer war auch Er!"
Mchard Dehrnel.
Geboren 1863 in Wendisch-Hermsdorf im Spreewald.
Anno Domini 1812.
Über Rußlands Leichenwüstenei
Faltet hoch die Nacht die blassen Hände;
Funkeläugig durch die weiße, weite,
Kalte Stille starrt die Nacht und lauscht.
Schrill kommt ein Geläute.
Dumpf ein Stampfen von Hufen, fahl flatternder Reif,
Ein Schlitten knirscht, die Kufe pflügt
Stiebende Furchen, die Peitsche pfeift,
Es dampfen die Pferde, Atem fliegt;
Flimmernd zittern die Birken.