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Hauspolitik und um das Hausvermögen vor Zersplitterung zu bewahren,
einer Anzahl ihrer Söhne einträgliche Prälaturen zu erwerben. Der
Charakter des geistlichen Amtes mußte da weit zurücktreten. Der
Genuß des reichen Einkommens, die pfaffenfürstliche Ehre, die Hand¬
habung der bischöflichen Machtmittel wurden vielfach zur Hauptsache.
Wie um andere Burgen, Laude und Gerechtsame stritt man, wo
mehrere Anwärter auf ein Bistum Anspruch erhoben; Brand und
Blutvergießen erfüllte die Gebiete. Fühlte der Bischof lich als
regierenden Herrn, der wie die Laienfürsten Steuern erhob und
Kriege führte, so blieb für die ursprüngliche Hirtenthätigkeit selten
®eiD@!- ^eit unb Neigung Übrig. Die geistlichen Funktionen fielen einem
WMbischofe zu, und die Jurisdiktion besorgte ein Official. Das
Amt des letzteren kam während dieser Periode in Gebrauch und
engte das Archidiakonat ein, dessen Machtentwickelung den Bischöfen
m.ru" gefährlich zu werden drohte. - Der niedere Klerus genoß nicht des
besten Rufes, schlimme Unwissenheit, Pflichtvergessenheit und fitten-
‘gegen ben lofes Leben wurden ihm nachgesagt. — Während der ganzen Periode
Klerus, begegnen Beispiele des Hasses gegen die Kleriker, der sich bisweilen
Klosterwesen, bis zu Mutiger Gewaltthat steigerte. — Die Zahl der Klöster war
in Besonders die Bettelmönche übten
starken Einfluß auf das religiöse Leben des Volkes. Weitgehende
päpstliche Privilegien gestatteten ihnen allenthalben zu predigen und
Beichte zu hören. Ungern sah das der Weltklerus. Allein seine
geringe Bildung vermochte nicht mit den Mönchen erfolgreich zu
wetteifern. Den Verfall des Klosterlebens suchte das 15. Jahrhundert
durch sog. Reformationen aufzuhalten. Diese hatten sowenig wie die
Klofterresormen des vorigen Zeitraumes dauernden Bestand und
fanden zudem nicht überall Eingang. Weit entfernt, Stätten der
Gottseligkeit und eines selbstverleugnenden Wesens zu sein, waren
die Klöster nur allzuhäufig der Schauplatz wüster Gen^ißsnrfit und
RDHer^egenjeitiger Anfeindung unter denen, die Brüder sein
sollten. Die Frauenklöster dienten teilweise zur Versorgung solcher
adliger Mädchen, die sich nicht verehelicht hatten. Ähnlich wurden
| Patriziertöchter in Klöstern untergebracht. Gerade die Frauenklöster
I widerstrebten den Versuchen des 15. Jahrh.*), eine bessere Zucht ein-
*) Der Nachweis in Gieseler, Kirchengesch. II, 4 § 140 n. 1. S. 280 ff. Der
Paragraph ist auch sonst überaus lehrreich. U. a. zeigt er in n. o., wie man mit
höchst körperlichen Mitteln diese Kloster-„Reformation" durchsetzen wollte und
dazu die Mitwirkung des Landesfürsten nicht verschmähte.