Hessen und Sachsen nach 1815.
Nr. 13.
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Kgr. Sachsen 1815
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] Kurhessen 1806.
I „ hinzuerworben 1815.
Ghz. Hessen 1806.
hinzuerworben 1815
Stuttgart o
Kurhessen geht ein.
Kurhessen hatte auch in der französischen Zeit dem Landesherm die
Treue bewahrt, (Dörnberg 1809) und doch gestaltete sich das Verhältnis
des Fürsten zum Volke darnach wenig freundlich. Nachdem Wilhelm I.
das „Grofsherzogtum Fulda“ und die isenburgischen Gebiete, den Ersatz
für Katzenelnbogen und einige hannoversche Enklaven „mit seinen übrigen
Staaten“ vereinigt, regierte er ebenso absolut und rückschrittlich in
Verwaltungsfragen, wie engherzig in Geldsachen. Die 7 Jahre des König¬
reichs Westfalen waren für ihn nicht dagewesen; Titel und Gehälter
wurden um diese Zeit zurückgeschraubt; selbst der Zopf, 15 Zoll lang,
wurde bei den Truppen, die aus den Freiheitskriegen heimkehrten,
wieder eingeführt. Noch launenhafter regierte sein Sohn und Nach¬
folger Wilhelm ü., der sich auch in wichtigen Landesfragen von einer
Berlinerin Ortlepp (Gräfin Reichenbach) völlig beherrschen liefs. Die
verdienstlichste Tat des Fürsten ist seine Landeseinteilung, aufserdem
die 1881 bewilligte, aber allerdings durch die Unruhen (Julirevolution)
abgerungene Verleihung einer Verfassung und endlich die im selben Jahre
ebenso unfreiwillig vollzogene Zolleinigung mit Preufsen, die aus dem
preufsischen Zollverein ein Ganzes machte und damit den Sieg über die
anderen deutschen Zollverbände entschied. Denn wie sich durch diesen
Zutritt Hessens der preufsische Osten und Westen zusammenschlossen,
wurde anderseits der unbequemste Gegner, der mitteldeutsche Handels¬
verein, durch diesen Keil in drei Teile zersprengt. Im übrigen ist die
hessische Geschichte unter Wilhelm II. und ebenso auch unter seinem Nach¬
folger Friedrich Wilhelm eine ununterbrochene Reihe von Kämpfen mit
dem Volke, den Ständen und selbst mit der Armee. Ein Einschreiten
Preufsens zu gunsten des Volkes (1851) führte zum Einrücken der Öster¬
reicher und „Straf“bayern zu gunsten des Kurfürsten und zur unblutigen
Schlacht von Bronzell. Die „deutsche Frage“ blieb dadurch damals un¬
entschieden, schien dann aber aufs neue in Flufs zu kommen, als Bismarck
1862 die endliche Wiedergewährung der Verfassung von 1831 durchsetzte.
Man wähnte sich in Kassel sehr klug, als man unter allerlei Nadelstichen
diese preufsische Forderung zugestand, ihre Ausführung aber einem
Ministerium mit entgegengesetzten Anschauungen übertrug, das ebenso
rückschrittlich war, wie es das Bismarcksche zu sein schien. Im übrigen
fühlte Hessen sich sehr sicher, auch noch 1866, als es von den Ereignissen
vollkommen überrascht wurde, sich aber Preufsen gegenüber nicht einmal
zur Neutralität verpflichten wollte. Schon nach wenig Tagen scheiterte
ohne jeden Widerstand diese Staatskunst, und Hessen wurde bald darauf
eine Provinz des preufsischen Staates. Seitdem ist die Entwicklung des
Landes ruhig und stetig. Kassel wurde belebter denn je und stieg von
38 000 E. auf 106000, ebenso das ganze Land von 700 000 E. auf 1 Million.
In die neuen Verhältnisse haben sich die Hessen völlig hineingelebt, aber
zugleich doch auch in Erinnerung an frühere Zeiten dem Fürstenhause
ein treues und dankbares Andenken bewahrt.
Hessen-Darmstadt.
H. Darmstadt war bereits damals, als es Hanau-Lichtenberg geerbt
(1635) und in Buchsweiler das lustige Schlofs, in Pirmasens das Exerzier¬
haus für die Riesengarde einrichtete, französischen Einflüssen zugäng¬
licher geworden. Dies steigerte sich natürlich in höchstem Mafse, als
Napoleon Westfalen mit H. Kassel verband und so den künstlichsten
deutschen Staat schuf, der durchaus den Rückhalt an Frankreich nötig
hatte. H. Darmstadt aber war dafür, wie Napoleon andeutete, auch zu
grofsen Dingen ausersehen. 1815 behielt H. Darmstadt nicht ganz die
lange, bisherige Gestalt, sondern bekam für das entlegene Westfalen die
südlichen isenburgischen Gebiete und aufserdem Rheinhessen mit dem von
französischen Ideen noch lange erfüllten Mainz. In diesen neuen Landen
die Autorität zu gewinnen, war nicht leicht. Das isenburgische Offenbach
hatte etwas von Selbstgefühl der Frankfurter, und in dem katholischen,
republikanisch angehauchten Mainz sah man mit Geringschätzung auf
das tote und arme Darmstadt und seine Regenten. Es gehört mit zu
den gröfsten Verdiensten Ludwigs I., der in seiner vierzigjährigen Re¬
gierungszeit dem Lande so manche Wolhtat erwiesen, (Verfassung 1820,
Rechtspflege, Museen, Theater) dafs er als erster mit seinem Lande dem
preufsischen Zollverein beitrat und damit gerade dem „goldnen“ Mainz die
Wege wies, auf denen es wieder grofs werden konnte. Denn Preufsen
hat die Schranken, die den oberrheinischen Handel bei Bingen sonst
enden liefsen, ebenso beseitigt wie die Zölle an des Rheines Mündung
und Mainzer Schiffe belebten nun bald nicht blofs den Mittel-, sondern
auch den ganzen Niederrhein. Der Kampf, der trotzdem 1866 wie von
so vielen anderen deutschen Staaten, so auch von H. Darmstadt gegen
dieses Preufsen versucht wurde, hat demselben Biedenkopf gekostet, das
Preufsen für den Zusammenschlufs Kurhessens und Rheinlands fordern
mufste; aufserdem ging aus ähnlichen Gründen das kurz vorher geerbte
H. Homburg verloren. Die dann aber folgende Versöhnung mit Preufsen
und der gemeinsame siegreiche Kampf 1870 haben dagegen auch das
Grofsherzogtum Hessen mit dem neuen Deutschen Reich fest verbunden
und namentlich wurden die wirtschaftlichen Interessen eng miteinander
verquickt. (Eisenbahnen.) Dafs dies Hessen zum Segen gereichte, zeigt
das Aufblühen allerorten, nicht am wenigsten aber in dem einst so stillen
Darmstadt selber.
Sachsen verständigt sich nach wirtschaftlichen und kriegerischen
Mifserfolgen endlich dauernd mit Preufsen.
Nach den Freiheitskriegen hätte schon das Gröfsenverhältnis die
Beziehungen von Sachsen und Preufsen regeln sollen. Vor 1792 zählte
ersteres, auch ohne Polen, fast die Hälfte der Einwohner Preufsens
(2000000 gegen 5 500 000). Nach dem Kriege hatte es nur noch den 10. Teil
(1 182 000 gegen 10 300 000). Diese Vergröfserung Preufsens führte aber
doch nicht zur natürlichen Verständigung, schon deshalb, weil Preufsen
wesentlich auf Kosten Sachsens gewachsen, und hatte dieses auch das
Gleiche auf Kosten Preufsens 1807 getan, so machte die Erinnerung die
Demütigung nicht erträglicher. Selbst der einzelne Preufse und Sachse
gefielen sich in mehr oder minder boshaften, gegenseitigen Bespöttelungen.
Verloren hatte Sachsen seine nördlichen Lande, d. h. Nordthüringen,
das ursprüngliche Kurgebiet von Wittenberg und den gröfsten Teil der
Lausitz; behalten hatte es die kleinere, aber schönere und mehr be¬
völkerte Südhälfte, die in sich geschlossen und immerhin noch bedeutend
genug war, um Sachsen im Rang der deutschen Mittelreiche gleich hinter
Bayern zu stellen. Dresden behielt seine Anziehungskraft als Kunst- und
Fremdenstadt; nicht blofs bildende Künstler, auch Musiker fanden hier
Heimat und Ausbildung. (K. M. Weber, R. Wagner.) Und die dramatische
Kunst wurde durch L. Tieck nicht blofs auf der Bühne, sondern auch in
der Gesellschaft gepflegt. (Vorlesen.) Bürgerliches Gewerbe aber machte
sich allerdings in Dresden noch wenig geltend. Ganz anders entwickelte
sich dagegen das westliche Sachsen. Hier blühte Leipzig nicht blofs als
Universitätsstadt weiter (G. Herrmann), sondern viel mehr noch als eine
Stadt des Handels, namentlich des Buchhandels. An diesem Platze wurde
1824 durch Perthes von Gotha und Fleischer von Leipzig der Buch¬
händler - Börsenverein gestiftet und damit die erste tatsächliche Eini¬
gung der Deutschen zustande gebracht. — Der Mefshandel gedieh auch
jetzt in keiner Stadt in dem Mafse, wie in Leipzig. Er erhielt seine
unmittelbarste Nahrung aus der aufblühenden Industrie des sächsischen
Südens, wo in Zwickau und im Plauenschen Grunde der Kohlenbergbau
den Gewerben mächtig zu Hülfe kam. Im Erzgebirge, dessen Armut
vordem sprüchwörtlich gewesen, gediehen die Spitzenklöppelei und ver¬
wandte Zweige der Industrie, in Chemnitz grofsartige Baumwollweberei.
Freiberg bekam Weltruf durch seine Berg- (L. v. Buch) und Tharandt
das Gleiche durch seine Forstakademie. (Colbe.) Kurz, Handel und
Gewerbe entwickelten sich in einem Mafse, dafs Sachsen aufs neue die
durch politische Fehler entstandenen Verluste an Menschen und Vermögen
einzuholen im Begriffe war. Handel und Gewerbe konnten aber nicht
auf engen Raum sich beschränken und verlangten unbedingt eine Ver¬
ständigung mit dem umklammernden Preufsen, dessen Hauptarbeit in
jenen Tagen gerade die Entwicklung der wirtschaftlichen Kräfte des
gröfseren Vaterlandes war. (Zollverein.)
Indes eine solche naheliegende Verständigung mit dem glücklichen
Nebenbuhler im Norden rückhaltlos anzustreben, war — man kann es
menschlich begreifen — dem Sachsen jener Tage noch schwer.
Gegen den Zollverein entstand deshalb der mitteldeutsche Handels¬
verein, dessen Seele Sachsen wurde. Erst das klägliche Scheitern dieser
Zollvereinigung führte 1833 zum Eintritt in den preufsisch-hessischen
Zollverein, und mehr denn je entwickelte sich jetzt Leipzig. Bislang war
diese Stadt, obschon sie alten Wohlstand besafs, wie Frankfurt und Ham¬
burg, doch nicht gerade bedeutend gewesen. (45000 E.) Jetzt aber regte
sie sich in alter Rührigkeit und wurde der Ausgangspunkt des deutschen
Eisenbahnbaues. Immer ausgedehnter wurde ununterbrochen sein Handel,
und jetzt ist Leipzig wohl der blühendste Verkehrsplatz im Innern
Deutschlands geworden. (1914: 627 000 E.)
Politisch aber blieb Sachsen trotz vieler Fortschritte doch mög¬
lichst lange beim Alten. (Adelsvorrechte, Stellung zu Österreich.) Alles
dies begünstigte 1849 nach der verunglückten Kaiserwahl die durch
Preufsen niedergeworfene Dresdener Revolution. Anfangs dankbar, trat
Sachsen allerdings mit dem nördlichen Nachbar in den Dreikönigsbund,
aber doch nur so lange, wie — Österreich keinen Rückhalt gewähren
konnte. Als dies aber in sich wieder erstarkt, begann auch sofort aufs
neue der leidige Gegensatz zu Preufsen, der noch einmal in den 60er
Jahren durch Beust den schärfsten Ausdruck bekam. Diese unglückliche
Politik fand 1866 mit der Hinausdrängung Österreichs aus Deutschland
ihren Abschlufs. Wie überall, so trat Preufsen jetzt auch besonders
Sachsen gegenüber versöhnlich auf und entrifs ihm keinen Fufs seines
Besitzes.
Seit dieser Entscheidung sind die Verhältnisse klar und gesund.
Sachsen ist der treueste Bundesgenosse Preufsens geworden. Es hat an
den Ehren des neuen Reiches den vollsten Anteil und 1870 sogar die
Genugtuung gehabt, im Gegensatz zu den kriegerischen Mifserfolgen
der letzten 150 Jahre, gerade die entscheidenden siegreichen Bewegungen
bei Gravelotte und Sedan ausführen zu können. Die Bevölkerung Sachsens
ist seit 1866 von 2 400 000 auf 4 Millionen gewachsen; noch mehr hat der
Wohlstand, namentlich auch der der unteren Klassen, zugenommen. So
gedeiht Sachsen, treu seinem Herrscherhause und seiner Eigenart, zugleich
auch in glücklichster Verbindung mit dem grofsen Ganzen und darum
mehr denn je zuvor.