C. Die Germanen bis zur Völker¬
wanderung.
Erster Abschnitt.
Die Vorgeschichte der Germanen.
Die Germanen treten als tüchtiges, jugendfrisches Naturvolk in die
Geschichte ein. Ihre Kraft liegt in den Stämmen des Westens, die früh
von Nomaden zu Bauern werden. Eine gemeinsame Göttersage ist noch
das einzige nationale Band des Volkes. In der Abgeschiedenheit seiner
Wohnsitze reift es der geschichtlichen Aufgabe, an die Stelle des Römer-
t it nt § zu treten, entgegen.
Land und Volk der Germanen.
§ 166. Das Land. Die ältesten Nachrichten über unser Vaterland
sind uns von den Römern überliefert. Es erstreckte sich in ihrer Zeit
vom Rhein und von der Donau bis hinauf in den skandinavischen
Norden und weit hinaus über den Weichselstrom. Nach dem Vor¬
gänge der Gallier nannten sie die Bewohner Germanen, d. H.
Nachbarn (Nahbauern), während die Bezeichnung deutsch =
volkstümlich, erst vor kaum 1000 Jahren üblich geworden ist.1)
Um die Zeit von Christi Geburt war Germanien noch ein sehr
rauhes Land. Weithin bedeckten es von Sümpfen unterbrochene
Wälder, in denen neben der Eiche, Buche und Tanne auch die Linde,
der Lieblingsbaum der Germanen, rauschte. Ein Gewirr von Baum¬
wurzeln, Schlinggewächsen und Gestrüpp überzog den feuchten Wald¬
boden. Bären und Wölfe, Elentiere und Auerochsen strichen durch
die endlosen Forste, und in den düsteren Baumkronen hausten
Schwärme von wilden Bienen. Nur in den Lichtungen der Flu߬
täler dehnte sich Acker- und Weideland. Als gewöhnliche Kornfrucht
gedieh dürftig der Hafer, hin und wieder Roggen und Gerste. Für
edles Obst war das rauhe Waldklima nicht geeignet; nur kümmerlich
reiften die fauren Früchte des wilden Apfelbaumes. Dagegen trug
der Ackerboden auch Flachs und allerlei Wurzel- und Bohnengemüse,
wie Rüben, Linsen, Erbsen und besonders Rettiche. Ungehegt lagen
die Waldwiesen, auf denen kleine, unansehnliche Pferde und Rinder
grasten.
*) Gedicht: Lingg, „Die Einwanderung der Germanen."