Full text: Bilder aus der griechischen und römischen Sage und Geschichte, Römer und Germanen (Teil 2)

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seine Schulden dann nicht bezahlen konnte, so kam er samt seiner 
Familie in Schuldknechtschaft. Es war ähnlich wie in Athen zur Zeit 
Solons. Mit Erbitterung mußten die Plebejer auch noch sehen, daß 
die Patrizier alles eroberte Land für sich in Benutzung nahmen. 
Sie verließen daher eines Tages Rom, zogen aus den eine Stunde 
entfernten „heiligen Berg" und wollten nicht mehr zurückkommen. 
Zwar bewog sie der volksfreundliche Menen ins Agrippa 
durch die Erzählung einer klug erdachten Fabel (von den Gliedern 
des Leibes, die sich gegen den Magen empörten) zur Umkehr; aber 
die Patrizier mußten ihnen das Recht zugestehen, sich eigene Schutz¬ 
beamte, die sogenannten Tribunen, d. H. Vorsteher, zu wählen, 
494. Diese bekamen das Recht, jeden volksfeindlichen Beschluß des 
Senates und der Beamten für ungültig zu erklären; sie waren unver¬ 
letzlich, durften aber nur bei offenen Türen schlafen, damit sie jeden 
Augenblick zur Hand wären. 
Wie es heißt, wollte der stolze und harte Patrizier K 0 ri 0 - 
I an u § eine Hungersnot dazu benutzen, um die Plebejer zum Ver¬ 
zichte auf die Wahl von Tribunen zu zwingen. Deshalb von den 
Tribunen vorgeladen, ging er zu dem feindlichen Nachbarvolke der 
Volsker und führte diese gegen Rom. Erst die persönlichen Bitten 
seiner alten Mutter bewogen ihn zum Abzüge; „Mutter, Mutter,“ 
rief er aus, „Rom hast du gerettet, aber deinen Sohn verloren!“ 
Er starb im Elend. 
§ 112. Das Zwölftafelgesetz. Wie in Athen vor der Zeit 
Drakons, so gab es auch in Rom noch keine geschriebenen Gesetze, und 
die patrizischen Richter machten sich mancher Willkür gegen die 
Plebejer schuldig. Deshalb verlangten diese immer wieder geschrie¬ 
bene Gesetze. Endlich stimmten die Patrizier der Wahl von „Zehn¬ 
männern“ zu, die nun das Recht aufzeichneten. Die Gesetze a r 
wurden zu jedermanns Kenntnis in zwölf eherne Tafeln ein- 
gegraben und bildeten fortan die Grundlage der Rechtsprechung. 
Die Zehnmänner behielten, so wird hinzugesetzt, eigenmächtig 
die Gewalt bei und verübten viele schlimme Taten. Einer von ihnen, 
Appius Klaudius mit Namen, versuchte sogar die edle 
Verginia, die Tochter eines angesehenen Plebejers, ihrer Frei¬ 
heit zu berauben. Damit das Mädchen nicht zur elenden Sklavin 
werde, erstach der eigene Vater sie mit einem Messer. Dann rannte 
er mit dem blutigen Eisen aus den Markt und entflammte des Volkes 
Wut gegen die Tyrannen. So wurden diese gestürzt; der arge 
Appius Klaudius nahm sich im Gefängnisse das Leben. 
Die Zwistigkeiten zwischen Patriziern und Plebejern dauerten 
noch anderthalb Jahrhunderte lang; sie erloschen erst mit der Gleich¬ 
stellung beider Stände.
	        
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