Full text: Lehrbuch für den erzählenden Geschichts-Unterricht an Mittelschulen

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5. Karl der Große als F r i e d e n s f ü r st. 
Auch im Innern seines Reiches brachte der König seinen 
Willen kraftvoll zur Geltung. 
Aus dem freien Bauer ruhte vorwiegend die Last des 
Kriegsdienstes. Er hatte sich für den Feldzug, der ihit bei: 
oommer hindurch seinem Beruf entzog, selbst auszurüsten und 
zu verpflegen. Zum Danke wahrte ihm der König das Recht, 
nur von seinesgleichen gerichtet zu werde» und in den Heeres¬ 
versammlungen, die jetzt im Mai stattfanden, über Krieg und 
Frieden zu entscheiden. Dennoch trieb die Not zahlreiche Bauern, 
ihre Liegenschaften an einen Großen oder eine Kirche abzutreten 
und gegen jährlichen Zins als Lehen zurückzunehmen. Dann 
mußte der Lehensherr mit seinen Reisigen für ihn der Kriegs¬ 
pflicht genügen. 
Den Heerbann jedes Gaues sammelte und fühlte ein 
Graf, welcher zugleich in des Königs Namen das Gaugericht 
leitete. Dafür erhielt er gegen den in des Königs Hand ge¬ 
leisteten Treueid ein königliches Gut zu Sehen. Die Amtsführung 
der Grafen wurde durch Königsboten oder Sendgrafen überwacht, 
welche Karl der Zahl feiner Bischöfe und Grafen entnahm. 
Der König war der größte Grundbesitzer seines Reiches. 
Um den Herrenhos seiner Güter lagen ganze Dörfer, deren Höfe 
an freie oder hörige Meier oder an Knechte vergabt waren. 
Da bares Geld fast gar nicht im Umlauf war, zinsten die Meier- 
Schlachtvieh, Korn und Wein, die Knechte fronten als Hand¬ 
werker oder Handlanger. Die Landwirtschaft auf den Pfalz¬ 
gütern leitete der König selbst mit genauer Sachkenntnis. Unter 
seinen Augen entwickelten sich die Königshöfe mit ihren Hühnern 
und Schwänen, ihren Bienenstöcken unb schellenbehangenen Rin¬ 
dern, ihrem Obst- unb Gemüsebau zu Musteranstalten für ben 
Lanbbau, welcher immer tiefer einbrang in ben gerodeten Wald. 
Karl hatte keine Hauptstadt. Abwechselnd hielt er Hof in 
den Herrenhäusern seiner Hofgüter, beit Pfalzen (palatium): 
Attiguy an ber Aisne, Herstal an ber Maas, am Rheine Nim¬ 
wegen unb Ingelheim, Speier unb WormsJ Eine außergewöhn¬ 
lich hohe Gestalt vou kraftvollem, ebenmäßigem Glieberbau, mit 
starker Nase unb hellen, freundlichen Augen, prächtigem Silber¬ 
haar um bas schöngeformte Haupt, in einfacher Kleibuug, welche 
bie eigenen Töchter gesponnen unb genäht, ein Feinb aller Un¬ 
mäßigkeit unb Ziererei, die er wohl auf der Jagd im Arbeuner- 
walde rügte in Scherz oder Ernst: so lebte der Monarch in 
stetem Wechsel unermüdlicher Arbeit und behaglicher Ruhe.
	        
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