Full text: Der Weltkrieg 1914/16

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eröffnete ihm nun, man könne die Flotte der Lacedämonier bei Gythium 
auf heimliche Weise in Brand stecken und so auf Ein Mal die Seemacht 
der Spartaner vernichten. Darauf sagte Aristides in der Versammlung 
des Volkes, die Ausführung des geheimen Planes sei zwar für Athen sehr 
vortheilhaft, aber zugleich höchst ungerecht. Im Vertrauen zu dem Ge¬ 
rechtigkeitssinne des Aristides wollten die Athener gar nicht einmal den 
Plan des Themistokles erfahren und derselbe unterblieb. 
Da es aber dem Aristides nicht an Feinden fehlte, so brachte es end¬ 
lich Themistokles dahin, daß er durch den Ostracismus (das Scherben¬ 
gericht) auf zehn Jahre aus Athen verbannt wurde. Aristides war selbst 
in der Volksversammlung, in welcher seine Verbannung beschlossen wurde. 
Da nahete sich ihm ein Landmann mit der Bitte, er möchte den Namen 
„Aristides" auf das Täfelchen schreiben, das zur Aufgabe der einzelnen 
Stimmen diente. Aristides nahm das Täfelchen und sprach: ,,Was hat 
dir denn Aristides zu Leide gethan, daß du ihn vernrtheilen willst?" Der 
Landmann antwortete: „Nichts, ich kenne den Mann nicht einmal; nur 
verdrießt es mich, daß man ihn immer den Gerechten nennt." Darauf 
schrieb Aristides seinen Namen aus die Scherbe und gab sie dem Manne. 
Als er die Stadt verließ, erhob er seine Hände gen Himmel und flehte, 
daß doch die Götter nie eine Zeit möchten eintreten lassen, wo die Athener 
genöthigt wären, seiner zu gedenken*). 
Nach einigen Jahren schon ward Aristides wieder zurückgerufen und 
leistete dem Vaterlande große Dienste. Er ordnete mit der größten Un¬ 
eigennützigkeit die jährlichen Geldbeiträge der Verbündeten und legte die 
ganze Bundeskasse in Delos unter dem Schutze des Tempels nieder. Von 
diesem schwierigen Geschäft ging der ed'le Mann so arm fort, als er ge¬ 
kommen war. Er starb so arm, daß er nicht aus eignen Mitteln begra¬ 
ben werden konnte und seine Töchter mußten vom Staate genährt und 
ausgestattet werden. 
Sokrates **). 
1. Charakterschilderung. 
Sokrates wurde im Jahre 469 v. Chr. geboren. Sein Vater war 
ein Bildhauer zu Athen, seine Mutter eine Hebamme. Frühzeitig kündigte 
sich die hohe und eigenthümliche Bestimmung des Knaben an. Eine Sage 
erzählt, daß gleich nach seiner Geburt der Vater einen Orakelspruch er¬ 
hielt, welcher ihm befahl, den Knaben Alles, was diesem einfiele, thun zu 
*) Luc. 23, V. 41. 
**) Nach F. Baßler.
	        
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