Object: [Teil 3 = Quinta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quinta, [Schülerband])

Raabe: Was d. Großm. erzählt. Herder u. Liebeskind: Das Paar Pantoffeln. 21 
würde, und weinte die ganze Nacht, und ant Morgen zog auch mein 
Wilhelm fort mit den grünen Jägern zu Fuß. Vorher aber führte 
ihn mein Alter noch an das Bett des Franzosen und sagte: „Das ist 
der zweite!" —Der Franzos schaute ganz kurios drein und sagte gar 
nichts, sondern drehte sich nach der Wand. 
Das Kanonenschießen kam nun nicht wieder so nah, und der 
Wilhelm schrieb von großen Schlachten, wo viele tausend Menschen zu 
Tode kamen, aber er nicht, und die Briefe kamen immer ferner her, 
und auf einmal standen gar welsche Namen darauf. Die brachte nrein 
Alter dem Franzos herauf, der nun schon ganz gut deutsch konnte, und 
sagte lachend zu ihm: „Nun, Gevatter! Nit raus? nit raus?" Und 
der Franzos machte ein gar erbärmlich Gesicht und sagte, den Brief 
in der Hand: „Das sein mein Eimatsort, da wohnen mein Vater und 
mein Mutter!" Mein Alter aber saß am Bett und rechnete an den 
Fingern: „Eins, zwei, vier, — acht. Acht Jahr, Gevatter Franzos! 
Warum habt ihr meine zwölf nicht genommen?" 
Die Briefe von unserm Wilhelm kamen nun immer ferner her, und 
auf einmal blieben sie ganz aus, und eines Tages — kommt nrein 
Alter nach Haus, setzt sich an den Tisch, legt den Kopf auf beide 
Arme und — weint. Ich dachte, der Himmel fiele über mich,- 
der und weinen! — 
„Der andere!" stöhnte mein Alter in sich hinein, und ich fiel in 
Ohnmacht zu Boden. 
Da vor der großen Franzosenstadt Paris muß ein Berg sein, — 
ich kann den Namen nicht ordentlich aussprechen, — von wo man die 
Stadt ganz übersehen kann. Da schossen sie zum letztenmal aufeinander, 
und da ist auch dem Wilhelm eine Kugel mitten durch die Brust ge¬ 
gangen, wie der Kamerad schrieb, und da ist er begraben mit vielen, 
vielen anderen aus Deutschland. — Das ist meine Geschichte. Den 
Franzosen aber kurierten wir aus, mein Alter gab ihm einen Zehr¬ 
pfennig und brachte ihn an das Tor, wo der Weg nach Frankreich 
geht, den auch meine Jungen gezogen waren, sah ihn da abhumpeln 
und kam wieder nach Haus, murmelnd: „Nit raus, nit raus!" — 
Gott hab' ihn selig, den Mann, es war ein wunderlicher, dein Vater, 
Annchen. 
58. Das paar Pantoffeln. 
Palmblätter vonI. G. Herder undA. I.Liebeskind; durchgesehen vonKrummacher. Berlin. 
Zu Bagdad lebte ein alter Kaufmann mit Namen Abu Kasem, 
der wegen seines Geizes sehr berüchtigt war. Seines Neichtunls un¬ 
geachtet waren seine Kleider nur Flicken unb Lappen, sein Turban ein
	        
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