Anhang.
Das karolingische Staats wesen.
Einleitung.
I. Begründung des karolingischen Königtums.
Das merowingische Königsgesehleclit trat seit cler Mitte des siebenten Jahr¬
hunderts hinter einem ändern, aus dem östlichen Teile des grofsen Franken-
reiches hervorgegangenen Geschlecht e1 zurück, dem es beschieden war, das
völligem Zerfalle nahe Reich aufs neue zu einen und ihm die gröfste Macht zu
gewinnen, die nach dem römischen Weltreich je ein Staat besessen hat, um
dann, nachdem die Errungenschaften einer grofsen Zeit durch den unseligen
Hader der Fürsten und durch den Ansturm barbarischer Völker auf das im
Innern zerrüttete und darum zur Abwehr feindlicher Angriffe nicht geschickte
Reich verloren gegangen waren, in derselben Schwäche und Yerkommenheit
zu enden, wie das merowingische.
Als Maior domus des in drei Teile — Austrasien, Neustrien und Bur¬
gund — gespaltenen fränkischen Reiches2 gewann Pippin der Mittlere bereits
einen Einflufs, der dem des Königtums weit überlegen war. Mit starker Faust
ergriff er die Zügel der Regierung, festigte aufs neue das aus den Fugen gehende
Reich und hob durch seine siegreichen Kämpfe gegen Ratbod, den Friesenfürsten,
und die Alamannen das gesunkene Ansehen desselben bei den angrenzenden
Yölkern; auch die Kulturarbeit der Kirche versäumte er nicht zu fördern, in¬
dem er der von angelsächsischen Glaubensboten betriebenen Mission unter den
heidnischen Yölkern germanischer Zunge den Schutz und die Unterstützung des
Frankenreichs gewährte.
Nicht ohne die schwersten Erschütterungen vollzog sich der Übergang
seiner Würde und Macht auf seinen Sohn Karl Martell. Aber nachdem dieser
mit Hilfe der Austrasier sich den Besitz der Herrschaft auch in Neustrien
gesichert hatte, ging er daran, dieselbe auf breiterer Grundlage zu erweitern,
indem er die Übermacht der geistlichen und weltlichen Grofsen brach, Städte
1) Über die Herkunft der Karolinger vgl. Annalen I, 154 n. 1.
2) Seit 688, durch den Sieg bei Testri (687) und die Ermordung Berthars, vgl. Annalen I, 176.