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Anhang.
und Territorien, welche sich in der Zeit der inneren Zerrüttung dem Einflüsse
der regierenden Gewalten entzogen hatten, zu Gehorsam und Unterordnung
zurückbrachte, die abgefallenen Herzöge in Bayern und Aquitanien zur Erfüllung
der Lehnspflichten zwang, in Alamannien das Stammesherzogtum beseitigte, in
Thüringen und Friesland, wie gegenüber den heidnischen Sachsen Ansehen und
Macht des fränkischen Reiches zur Geltung brachte, die Missionsthätigkeit des
Bonifatius nach Kräften unterstützte und durch seine Siege über die Araber,
vornehmlich durch den von Poitiers (732), den Streit der beiden Religionen um
die Herrschaft für Europa wenigstens zu Gunsten des Christentums entschied.
So fest gewurzelt war sein Ansehen bei den Franken, dafs er es wagen konnte,
nach dem Tode des merowingischen Scheinkönigs Theoderich (737) jahrelang
ohne König allein zu regieren und bei seinem Tode (741) eigenmächtig seine
Söhne Karlmann und Pippin zu Nachfolgern zu bestimmen, jenen in den
deutschen Landen, Austrasien, Alamannien und Thüringen, diesen in Neustrien,
Bm’gund und Provence. Nachdem sie die aufständischen Bewegungen in den
deutschen Landen und Aquitanien niedergeschlagen hatten, schritten die Brüder
743 noch einmal zur Aufstellung eines Königs, des letzten aus dem Hause der
Merowinger, Childerichs III. Aber von einer Wirksamkeit desselben ist nirgends
die Rede. Seitdem Karlmann 747 die Regierung in den austrasischen Ländern
freiwillig niedergelegt hatte, um im Kloster Monte Cassino sich der Strenge
mönchischen Lebens zu unterziehen, vereinigte Pippin (der Kurze) in seiner Hand
die Regierung des gesamten Reiches, gestützt und getragen durch die Gunst der
römischen Kirche, welche bei den kräftigen Karolingern nicht nur die eifrigste
Förderung ihrer Interessen, sondern auch in allen Nöten bereitwillige Hilfe
gefunden hatte. Was geschehen mufste, geschah. Das Königtum der Mero¬
winger, aller Macht entkleidet, war zur offenkundigen Lüge geworden. Man
kann die Jämmerlichkeit dieser Schattenherrschaft nicht treffender schildern, als
es Einhard in der Einleitung zu seiner Lebensbeschreibung Karls des Grofsen
gethan hat:1 ‘Dem Könige war nichts gelassen, als dafs er, zufrieden mit dem
königlichen Namen, mit herabhängendem Haar und langem Bart auf dem Throne
safs und den äufseren Schein des Herrschers an sich hatte, die von überallher
kommenden Gesandten anhörte und ihnen, wenn sie gingen, die Antworten,
1) V. Kar. c. 1: Neque regi aliud relinquebatur, quam ut, regio tantum nomine contentus, crine pro-
fuso, barba summissa, solio resideret ac speciem dominantis effingeret, legatos undecumque venientes audiret
eisque abeuntibus responsa, quae erat edoctus vel etiam iussus, ex sua velut potestate redderet, cum praeter
inutile regis nomen et precariuin vitae Stipendium, quod ei praefeetus aulae prout videbatur exhibebat, nihil
aliud proprii possideret, quam unam et earn praeparvi reditus villam, in qua domum et ex qua famulos sibi
necessaria ministrantes atque obsequium exhibentes paueae numerositatis habebat. Quocumque eundum erat,
carpento ibat, quod bubus iunctis et bubulco rustico more agente trahebatur. Sic ad palatium, sic ad publicum
populi sui conventum, qui annuatim ob regni utilitatom celobrabatur, ire, sic domum redire solebat. At regni
administrationem et omnia, quae vel domi vel foris agenda ac disponenda erant, praefeetus aulae procurabat.