Full text: Anleitung zur geschichtlichen Lektüre

Zweites Kapitel. 
Über Quellen und Hilfsmittel 
der geschichtlichen Forschung. 
Geschichtliche Forschung ist saure Arbeit, und 
niemand unterzieht sich leicht derselben, den nicht 
ein aufrichtiges Streben nach Wahrheit beseelt- 
Giesebr ech t. 
Unter ,,Quellen“ versteht man alles Material, woraus die 
Geschichtswissenschaft ihre Erkenntnis schöpft. In 
den ältesten Zeiten war es nur der Bericht in Sang und 
Sage, von Mund zu Mund, aus dem man ein Wissen des 
Geschehenen gewann; viel später erst schöpfte man aus 
geschriebenen Überlieferungen, und nur gelegentlich leitete 
man daneben auch aus Inschriften und Urkunden geschicht¬ 
liche Erkenntnis ab — viel weiter kam man weder im Alter¬ 
tum noch im Mittelalter. Erst in der neueren Zeit, welche 
die Geschichte zu einer Wissenschaft erhob, erweiterte sich 
der Kreis der Quellen, der in unseren Tagen ins Ungemessene 
sich ausdehnt. „Aus den Höhlen der Berge, aus dem Schöße 
der Erde, aus der Tiefe der Seen fördert der Forscher die 
Funde der Vorzeit zutage, aus dem Staube einst ängstlich 
verschlossener Archive die Urkunden, Handschriften aus 
Bibliotheken. Unscheinbare Münzen, stolze Dome, ver¬ 
witterte Inschriften, vergilbte Pergamente, fratzenhafte 
Handzeichnungen und verrostete Waffen der Gräber: alles 
liegt ausgebreitet vor dem Throne der Geschichte, auf jedes 
lenkt sie ihr prüfendes Auge“ (v. Pflugk-Harttung). 
Alles Quellenmaterial läßt sich in zwei große Gruppen 
zerlegen: Überreste und Überlieferungen, 
d. h. Quellen im engeren Sinne. Jene sind Überbleibsel,
	        
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