Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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Ein Paar Fabrikschuhe. 
Gesagt, getan. Am Nachmittag desselben Tages führte uns 
ein Obermeister durch die Fabrik, welche 1200 Menschen beschäftigt. 
Ein Warenaufzug brachte uns in das oberste Stockwerk des 
sechs Stock hohen Fabrikgebäudes, und wir traten in den Zu¬ 
schneidesaal ein. In einer Ecke des weiten, luftigen und hellen 
Raumes hatte ein Modellierer einen zierlichen Schuhleisten vor sich 
liegen, nach welchem er die zum Oberteil eines Damenschuhes ge¬ 
hörenden Modelle auf Pappe zeichnete. Neben ihm stand ein Mann 
an einem Ausschneideapparat; er schnitt die Modelle aus und versah 
sie dann mit Hilfe einer anderen mechanischen Vorrichtung mit 
einem Blechrand. Im Saale standen lange Tischreihen, auf denen 
ganze Felle Lackleder, feines Kalbleder und dergleichen ausge¬ 
breitet waren. Aus den Fellen schnitten Arbeiter mit scharfen 
Messern nach den Pappmodellen die einzelnen Lederstücke, aus 
denen sich die obere Bekleidung des Fußes, Schaft genannt, zu¬ 
sammensetzt. Dabei kommt es sehr darauf an, daß die für jedes 
Stück geeignetste Stelle der Haut ausgesucht wird, und daß der 
Abfall möglichst gering ist. Trotzdem ging die Arbeit den Leuten 
sehr flink von der Hand. Die ausgeschnittenen Stücke wanderten 
zur Schärfmaschine, welche mittels eines sich rasch drehenden Kreis¬ 
messers die Ränder schärfte, und zwar an den Stellen, an denen sie 
später zusammengesteppt werden sollten. Auf diese Weise wird ein 
Drücken der Nähte vermieden. Das Schuhfutter wurde ebenfalls 
im Zuschneidesaal mit Hilfe einer Zuschneidemaschine geschnitten. 
Sämtliche Zuschneider — etwa 90 — werden von einem Meister 
beaufsichtigt, der darauf sieht, daß die Leder- und Stoffteile richtig 
geschnitten und gestempelt sind, und der sie dann in Bündel schnüren 
läßt, von denen jedes die Teile für ein Dutzend Paar Schuhe 
enthält. 
Alle diese Dutzendbündel, das Gesamtergebnis der im Zu¬ 
schneidesaal geleisteten Arbeit, beförderte der Fahrstuhl ein Stock¬ 
werk tiefer in den Steppsaal, dessen mittlerer Raum mit einer 
langen Tischreihe besetzt war, an der junge Mädchen die Leder¬ 
stücke schwärzten, andere das Futter darauf klebten und es dann 
fest hämmerten. Die linke Seite des Saales nahmen dicht neben¬ 
einanderstehende Steppmaschinen ein, deren Reihen fast den Anblick 
von Schulbänken gewährten. Einige dieser Nähmaschinen arbeiteten 
gleichzeitig mit zwei nebeneinanderstehenden Nadeln, stellten also 
Doppelnähte her. Das Zusammennähen der einzelnen Teile des 
Oberschuhes besorgte nicht etwa ein und dieselbe Stepperin, sondern 
die eine hatte diese, die andere jene Teile zusammenzunähen, und 
demgemäß waren die Steppmaschinen verschieden eingerichtet. 
Die Oberteile der Schnürstiefel gingen z. B. durch andere Hände, 
als diejenigen der Knopf- und Zugstiefel, und nur so war es zu be¬ 
greifen, daß die Hände der Mädchen so flink, sicher und genau die 
Lederteile hin und her führten, drehten und wendeten. 
Die am hinteren Ende des Saales arbeitenden Stepperinnen 
lieferten die fertig gesteppten Oberteile ab, die nun den an der ent¬ 
gegengesetzten Längswand aufgestellten Maschinen zugeführt wurden. 
Liier stand eine Maschine, welche in die Knopfstiefel die Knopf¬
	        
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